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Benedikt Ahlfeld

19. September 2018

Generation Z

Generation Z: Desorientiert zwischen Helikoptereltern und Smartphone: Mit Mitte 20 in der Sinnkrise, gleichzeitig Hoffnungsträger für den digitalen Umbruch in der Wirtschaft.

für die Personalisten ist die Generation Z ein Albtraum: Sie unterschreiben einen Arbeitsvertrag, tauchen aber nie auf. Sie sagen nicht einmal ab“, berichtet Sonja Schloemmer, geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung Schloemmer & Partner, die unter anderem HR-Dienstleistungen, Coachings und Trainings anbietet. „Z wie Zombie“ lautet auch gleich die erste Kapitelüberschrift im Buch „Generation Z“, in dem Christian Scholz, damals Professor an der Universität des Saarlandes, 2014 zum ersten Mal die gerade in die Arbeitswelt eintretende Generation der ab 1995 Geborenen würdigte. Wie Zombies würden sie mit ihrer besonderen Art, ihren Werten und Einstellungen die schon in den Betrieben etablierten älteren Jahrgänge von Babyboomern bis Generation Y (siehe Kasten Seite 64) mit dem Z-Virus anstecken – und damit die ganze Arbeitskultur verändern.

Traditionellen Personalchefs und konservativen Führungskräften erscheint die Generation Z wohl wirklich als Horrorvision. Ihr Grundtenor zu den Berufseinsteigern mit guter Ausbildung, um die es vor allem geht, ist nämlich kritisch: Sie seien in der klassischen Firmenwelt nur bedingt einsatz- und arbeitsfähig. Ihre Frustrationstoleranz sei gering und sie hätten kein Durchhaltevermögen, weil ihre Helikoptereltern alle Pro bleme für sie gelöst haben. Berater und Coach Benedikt Ahlfeld warnt Mittzwanziger beim Kontakt mit dem Arbeitsleben sogar vor einer Sinnkrise – der Quarter life-Crisis. Denn in einer perfekten Social-Media-Welt voller geschönter und gefilterter Bilder sozialisiert, in der Ausbildung und von den Eltern nur mit positivem Feedback konfrontiert und vor „bösem“ Wettbewerb behütet, falle der erste Reality- Check im Job oft brutal aus. Ahlfeld: „Dann sind sie enttäuscht. Doch die wenigsten kommunizieren das, denn negative Botschaften sind in sozialen Medien tabu. Sie glauben, das treffe nur sie, weil niemand solche Erfahrungen auf Facebook teilt. Das führt zu Entfremdung und in der Folge zu Burn-out, Depression, Krankenstand und Kündigung.“

Für Vorgesetzte sieht es dann aber eher so aus, als würde kritisches Feedback an der Generation Z abprallen. Vielen Arbeitgebern gilt sie daher als illoyal und unangemessen anspruchsvoll. „Diese Generation lassen wir aus“, hat Beraterin Schloemmer schon von Personalchefs gehört. So direkt wollen Personalverantwortliche das öffentlich dann nicht artikulieren. Es herrscht schließlich Fachkräftemangel und man will es sich mit den Jungen nicht verscherzen. „Jungakademiker gehen mit großer Anspruchshaltung in den Bewerbungsprozess“, erzählt etwa die Recruitingleiterin eines heimischen Dienstleistungskonzerns, die ungenannt bleiben will. „Offenbar wird Absolventen an vielen Ausbildungsstätten suggeriert, sie seien mit diesem Studium etwas ganz Besonderes. Sie erwarten einen roten Teppich, dabei bräuchten sie jemanden, der sie auf den Boden der Realität zurückholt.“

Prallen da wirklich komplett fremde Welten aufeinander? Oder ist es eben eine junge Generation mehr, die anders ist als ihre Vorgänger, und deshalb der klassische Konflikt zwischen Jung und Alt?

Tatsächlich gehen laut der aktuellen Studentenstudie des Beratungs- und Prüfungsunternehmens EY jedenfalls neun von zehn Studierende in Deutschland davon aus, schnell und leicht einen Job zu finden. Doch statt auf Karriere konzentrieren sie sich lieber auf ihr privates Umfeld. Familie, Freunde und Freizeit nehmen einen höheren Stellenwert ein als beruflicher Aufstieg und gutes Gehalt (siehe Kasten Seite 69).

VERTRAUENSKRISE

„Sie denken nicht für und an das Unternehmen. Was sie tun, muss für sie selbst Sinn machen. Soziale Projekte oder ein Gap Year können das erfüllen“, sagt Schloemmer über die Jungen. Die Vertrauenskrise ist nämlich keine einseitige Sache. Und mit den ihr zugeschriebenen Attributen Illoyalität, Sprunghaftigkeit und Unverlässlichkeit spiegelt die Generation nur das Verhalten der Unternehmen in der Vergangenheit. Ahlfeld dazu: „Sie haben mitbekommen, dass ihre Eltern jederzeit für den Job erreichbar und immer einsetzbar waren. Und sie haben in der Krise gesehen, dass ihnen das auch keine Sicherheit gebracht hat. Deshalb bestehen sie auf eine klare Trennung von Freizeit und Arbeit.“ Versprechen der Unternehmen gegenüber sind sie misstrauisch. „Es ist die erste Generation, die wirklich Nein sagt“, ergänzt Schloemmer. Z kann das, weil sie es etwa nicht notwendig findet, für ein Auto als Statussymbol Überstunden zu machen. „Vielleicht antizipieren sie auch, dass sie bis 75 arbeiten und das mit dem alten Arbeitsstil nicht durchzuhalten ist“, formuliert sie eine weit in die Zukunft reichende Vermutung.

„Erst zu gehen, wenn auch der Chef Schluss macht, ist ein Gedanke, den es heute so nicht mehr gibt“, beobachtet auch Lucanus Polagnoli, Partner beim Start-up-Finanzierer Speedinvest, die Veränderung gegenüber seiner eigenen Generation. Er ist 39. „Seniorität oder ein gewisses über den eigenen Bereich hinausgehendes Gefühl der Verpflichtung gibt es selten. Es passiert, was explizit gefordert wird“, charakterisiert er die jüngeren Mitarbeiter. Als Konsequenz davon hat Speedinvest mit Speedinvest Heroes eine eigene Firma gegründet, die jungen Unternehmen dabei hilft, die Prozesse so zu verändern, dass sie wirklich jene Kandidaten herausfinden, die Biss haben und Eigeninitiative zeigen.

Die gibt es nämlich und sie wollen sogar sehr hart arbeiten. Doch zugleich wollen sie dabei auch ihre Rahmenbedingungen mitgestalten, wie etwa das Beispiel von Redakteurin Helene Gahr zeigt, die ihre Arbeitszeit verkürzte, um produktiver zu sein (siehe Porträts). Oder Software- Developer David Pichsenmeister, dem weder als Chef noch als Mitarbeiter wichtig ist, wo die Arbeit erfolgt, solange das Ergebnis passt. „Man arbeitet nie so hart wie an jenen Projekten, für die man wirklich brennt, die einen wirklich interessieren“, sagt etwa Iris Zajac, die von einem Wirtschaftsprüfungsjob in die Selbstständigkeit wechselte. Auch Katharina Steppan ist mit 36 Jahren zwar schon etwas älter, vom Mindset her aber eine Trendsetterin für die Generation Z. Aus- zeiten gehören für sie alle dazu. Auch wenn eine Chef-Generation, die sich selbst mit Abendterminen und Wochenendschichten hochgearbeitet hat, sich da die Augen reibt.

SINN UND KARRIERE

„Es gehört fast dazu, auch einmal nichts zu machen“, weiß Speedinvest-Partner Polagnoli. „Aber auch der Wunsch, unternehmerisch tätig zu sein, ist viel ausgeprägter als früher, weil der Freiheitsdrang viel größer ist, der Wunsch, selbst über sein Leben zu bestimmen. Häufig kommen die ganz jungen Gründer nach ein, zwei Jahren drauf, dass ihnen ein paar Dinge abgehen, und holen sich dann erfahrene Manager um ‚alte‘ Tugenden wie Prozesse oder eine gewisse Disziplin einzuführen“, hat der Start-up-Finanzierer beobachtet. Um die sprunghaften Jungen für sich zu gewinnen und dauerhaft zu halten, müssten Unternehmen sie vom Sinn ihrer Arbeit dort überzeugen, ist in Strategie- und Personalistenkreisen derzeit immer wieder zu hören.

Unter Schlagwörtern wie „Purpose“ und „Why“ wird daher gerade in vielen klassischen Organisationen heftig über Sinn und Daseinszweck diskutiert. Was für diese Unternehmen zur eigenen Orientierung durchaus gut und nützlich sein kann, am Thema Mitarbeiterbindung – gerade im Hinblick auf die Generation Z – aber vorbeigeht.

Sinn in der Arbeit bezieht sich für diese nämlich eher nicht auf den Unternehmenszweck, sondern auf ihre persönlichen Werte, ihre individuelle Lebenssituation und die damit verbundenen aktuellen Bedürfnisse. So edel, gut und nachhaltig kann ein Unternehmenszweck gar nicht sein, dass eigene Bedürfnisse nicht letztlich doch Vorrang hätten.

Die können durchaus auf Karriere gerichtet sein. Julia Zdrahal-Urbanek, Managing Partner des Executive- Search-Netzwerks AltoPartners, berichtet von „Gen Zs“ ihres Umfelds: „In ihrem Alter sind sie noch keine Executive- Search-Kandidaten, bewegen sich aber mit hohem Speed und großer Motivation dorthin. Sie gehen nach der Matura nicht aus Spaß auf Interrail-Reise, sondern machen mehrere Monate ‚sinnvolle‘ Praktika etwa bei einem führenden Wirtschaftsprüfer in einer internationalen Metropole, arbeiten dann ehrenamtlich in einem Waisenhaus in einem Entwicklungsland, wo sie zum Beispiel ein neues Trinkwasserversorgungskonzept entwickeln und umsetzen, absolvieren dann noch einige internationale Studienvorbereitungskurse oder Sprachprüfungen.“

Roland Falb, Managing Partner des internationalen Strategieberaters Roland Berger, erlebt die junge Generation ähnlich ambitioniert: „Faulheit oder fehlende Leistungsbereitschaft, wie sie dieser Generation nachgesagt wird, beobachten wir überhaupt nicht, im Gegenteil. Wir bemerken, dass die junge Generation noch anspruchsvoller ist, was agiles Arbeiten angeht. Die Absolventen, die zu uns kommen, wollen international arbeiten, sie wollen gefordert sein und früh in ihrer Karriere viele verschiedene Branchen und Aufgabenstellungen kennenlernen.“

Falb bemerkt allerdings auch, dass der Wettbewerb um diese besten Köpfe viel internationaler geworden ist und die Beraterbranche heute mit digitalen Weltgrößen wie Google ebenso konkurrieren muss wie mit Start-ups.

Dabei wird der Pool der karriereorientierten Jungen, in dem sie alle fischen, nicht größer. Die jüngste Integral-Studie zu den Sinus-Jugendmilieus bescheinigt, dass nicht die auf klassische Konzernkarrieren und materiellen Erfolg fokussierten ehrgeizigen „Performer“ zu den wachsenden Zukunftsmilieus unter den Jugendlichen gehören, sondern die viel unkonventionellere neue Elite der „Digitalen Individualisten“ (siehe Kasten Seite 67). Noch eine Erkenntnis aus dieser und Vorgängerstudien spricht dafür, dass es schwerer wird, ambitionierte junge Fachkräfte etwa für Expat-Einsätze zu finden: Konnten sich 2001 noch 78 Prozent der Jugendlichen in Österreich vorstellen, eine Zeitlang im Ausland zu leben, waren es 2011 bloß noch 59 Prozent und 2016 gar nur mehr 51 Prozent.

KULTURWANDEL

Was Kommunikationstechnologie und -kultur betrifft, dürfte die junge Generation die Arbeitswelt alteingesessener Firmen endgültig ins 21. Jahrhundert katapultieren. „Der hohe Grad an Professionalität, mit dem sie auch im Privatbereich mit Tools umgeht, ist charakteristisch“, sagt Christoph Magnussen, der als Gründer des digitalen Beraters und Cloud-Service-Partners Blackboat Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützt. Dabei hat er gleichermaßen mit modernen Technologien und jungen Leuten zu tun. Veraltete Technologien werden ihm zufolge von den Jungen am Arbeitsplatz nicht mehr akzeptiert. Smartphone, Cloud und offene Chatsoftware sind für sie Standardwerkzeuge. Offline gibt es für sie nicht. Das ändert die Kultur, so Magnussen: „Klar stellt sich die Frage, wie man damit umgeht, wenn ein Jüngerer einen Älteren in einem offenen Chat kritisiert. Aber diese Dynamik ist unersetzlich. Wenn Generation Z drinnen ist, verändert sie ein Unternehmen. Das ist anstrengend, aber nicht schlecht.“

Für Beatrice Verdino, Managing Partner bei der Digitalagentur Asoluto, ist der Wandel, den die jungen Generationen mit sich bringen, längst Realität: „Flexi ble Arbeitszeitmodelle sind für uns ganz normal. Allerdings muss die Organisation so gestaltet sein, dass dennoch immer jemand für den Kunden da ist.“

Aus Sicht von Berater Ahlfeld gibt es neben flexiblen Arbeitszeiten noch einige andere Erfordernisse, um die Generation Z erfolgreich ins Unternehmen einzubinden. „Man braucht eine virtuelle Organisation, denn sonst kommt es zum Whatsapp- Problem, wenn sich die Jungen selbst intern und inoffiziell in Whatsapp- Gruppen organisieren“, plädiert auch er für Collaboration Tools als Grundlage der firmeninternen Kommunikation. Das ist auch grundsätzlich angesichts der immer projektartigeren Strukturen der modernen Arbeitswelt von Vorteil.

HR-Expertin Sonja Schloemmer wiederum hat sich Gedanken darüber gemacht, wie sich ältere Führungskräfte auf die tatsächlich vom ersten Kontakt mit dem echten Arbeitsleben geschockten Angehörigen der Generation Z einstellen sollen, um sie an die betrieblichen Notwendigkeiten heranzuführen.

Sie plädiert für Supportive Leadership: „Ermutigen und zutrauen. Größere Arbeiten in kleinere wöchentliche Aufgaben zerlegen.“ Sie nennt das auch schmunzelnd „World of Warcraft“- Methode: Wie in dem ihnen vertrauten Gaming-Hit können sich die Jungen so auch in der Arbeit von Level zu Level steigern und laufend besser werden. Kritisches Feedback sollte außerdem in Coaching-Manier verpackt werden – als Anregung, „wie man etwas noch besser machen kann“. Vielleicht erspart man so ja tatsächlich einem sensiblen jungen- Menschen die gefährlich drohende Quarter life Crisis.

Benedikt Ahlfeld

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