Große Herausforderungen stellen die Beschäftigungseffekte dar, die im Kontext der Digitalisierung vermutet werden. Die Beschäftigungseffekte sind in qualitative und quantitative zu gliedern. Auf der qualitativen Ebene, also den Anforderungen an Qualifikationen und Kompetenzen, wird von einer steigenden Bedeutung von
- IT-Grundkompetenz und Medienkompetenz,
- Methoden- und Social-Skills,
- emotionaler und sozialer Kompetenz,
- kreativer Kompetenz,
- Lern- und Veränderungsbereitschaft sowie -fähigkeit,
- Fähigkeit im Umgang mit Geschwindigkeit und Komplexität,
- Selbst-Management und
- lebenslangem Lernen
ausgegangen. Auch die Fähigkeiten, mit und ohne direkten persönlichen Kontakt zu kommunizieren und zu kooperieren sowie Wissen zu teilen, gehören zu den essentiellen Anforderungen. Dabei werden alle Beschäftigten und Berufsgruppen in den Blick genommen. An dieser Stelle tun sich ad hoc zwei Fragen auf: 1. Ist eine solche Ausweitung des Anforderungsprofils realistisch? 2. Ist die Ausweitung des Anforderungsprofils Gegenstand in der Aus- und Weiterbildung? Bzw. werden Aus- und Weiterbildung entsprechend angepasst?
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in einer Wissens- und Innovationsgesellschaft, in der wir seit Jahren leben, Expertentum ein zentraler Faktor darstellt. Egal ob es sich um Banker, Ingenieure, Lehrer, Wissenschaftlicher, Mechatroniker, Verkäufer etc. handelt, wir definieren uns über unser Wissen. Mit der Digitalisierung hingegen werden dieses Alleinstellungsmerkmal und dieser Absicherungsfaktor aufgelöst. Expertenwissen ist nicht mehr exklusiv, sondern kann von allen im Internet gegooglet werden. Das führt zur 3. Frage: Was bleibt übrig?
Grundsätzlich gilt: Im Rahmen der Gestaltung der Geschäftsmodelle und Leistungserstellungsprozesse, der Innovationsentwicklung, der Schaffung von strategischen Allianzen, der Maschine-Maschine-Schnittstellen und der Mensch-Mensch-Schnittstellen etc. werden vielfältige Tätigkeiten zu bewältigen sein und neue Tätigkeits- und Jobprofile entstehen. Darüber hinaus schaffen neue Unternehmen, deren Wertschöpfung im Netz, in Netzwerken und auf Plattformen generiert wird, Arbeitsplätze.
Demgegenüber ist auch mit negativen Beschäftigungswirkungen zu rechnen. So wird derzeit diskutiert, dass sich wahrscheinlich die Chancen auf dauerhafte Beschäftigung für einige „durchschnittlich“ Qualifizierte (mittlere Qualifikationsstufen) reduzieren könnten. Die bisher als selbstverständlich betrachtete Annahme, dass mit der Entwicklung neuer Technologien die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften steigt und die Nachfrage nach Niedrig-Qualifizierten sinkt, scheint nicht mehr zu gelten. Denn aktuelle Forschungsergebnisse zeigen veränderte Zusammenhänge. So wird es danach bei vielen Tätigkeiten, die bisher durch Beschäftigte mit mittlerem Qualifikationsniveau bearbeitet worden sind und die eine manuelle und / oder kognitive, teilweise auch hoch komplexe Routineaufgabe darstellen, zu einer Substitution durch die Technik kommen.[1]
Diese auf den ersten Blick negativen Beschäftigungseffekte können jedoch teilweise aufgelöst werden.
- Zum einen kann hier die demografische Lücke zum Tragen kommen. Wenn das Angebot an Fachkräften angesichts der Demografie sinkt und gleichzeitig die Nachfrage nach bestimmten Fachkräften aufgrund des Substitutionseffekts im Kontext von Digitalisierung abnimmt, besteht die Möglichkeit der Kompensation des negativen Beschäftigungseffektes. Darüber hinaus könnte auch dem Fachkräfteengpass in bestimmten Berufen entgegengewirkt werden.
- Zum zweiten werden durch die Technologisierung in bestimmten Tätigkeiten Ressourcen frei, die sinnvoll eingesetzt werden können. Es besteht durchaus die Option, Zeitwohlstand zu generieren, also Zeitreserven zu heben, die wir dann sinnvoll z.B. im Rahmen der Individualisierung von Kundenwünschen, der Erweiterung des Leistungsspektrums, Generierung von Innovationen einsetzen könnten, was wiederum positive Beschäftigungseffekte nach sich ziehen kann.
- Zum dritten können durch mittel- bis langfristig angelegte Qualifizierungen betroffene Beschäftigte für höherwertige Tätigkeiten befähigt werden, um ihnen damit auch in Zukunft eine Perspektive zu bieten. Dies ist mit einem ganzheitlichen und professionellen Personalmanagement verbunden, das eine Talent- und Stärkenorientierungen im Personaleinsatz und der Personalentwicklung ebenso im Blick hat wie die Förderung der „Beweglichkeit“ im Rahmen von Werdegängen.
- Zum vierten können körperlich und geistig belastende und monotone Tätigkeiten abgelöst werden. Es erfolgt eine Humanisierung der Arbeit.
In einem sind sich die Experten einig: Trotz aller Digitalisierungsbemühungen werden sensomotorisch anspruchsvolle Arbeiten angesichts der Feinmotorik schwieriger zu automatisieren sein, ebenso wie kognitive Nicht-Routinetätigkeiten aufgrund des hohen Maßes an sozialer und emotionaler Intelligenz sowie Kreativität. Beispiele sind Gesundheits- und Sozialwesen, Forschung und Entwicklung, Unternehmensdienstleistungen und Management sowie lokale Dienstleistungen mit hochspeziellen Tätigkeiten.
[1] Vgl. Brynjolfsson, E. / McAfee, A. (2012, 2014); Autor, D. H. / Dorn, D. (2013); Zuboff, S. (2014); Bonin, H. et al. (2015); Rump, J. / Eilers, S. (2017), S. 83.