PROGNOSE: Alte Hierarchie-Ebenen wird es bald nicht mehr geben – Sozialkompetenz wichtiger als je zuvor
Gesundheit und wirtschaftlicher Erfolg sind eng verzahnt. Nicht nur beim Einzelnen, sondern auch in Unternehmen und der Wirtschaft als Ganzes. Den deutschen Wirtschaftsjournalisten Erik Händeler treibt die Frage, wie sich die Ressource Gesundheit am besten nützen und schützen lässt.
„WIKU“: „Die Geschichte der Zukunft“ ist Ihr Thema beim Wissensforum: Haben Sie eine Kristallkugel?
Erik Händeler: Knappheit zwingt, etwas anders zu machen. Als Transport am Weiterwachsen hinderte, musste die Eisenbahn gebaut werden; als das Wissen stark zunahm und mit Karteikästen nicht mehr zu verwalten war, musste der Computer entwickelt und angewendet werden. Natürlich ist die Zukunft offen, weil wir nicht wissen, wie Menschen sich in ihrer Freiheit entscheiden werden. Aber der Blick auf das, was heute knapp ist, zeigt uns, wo Veränderungen anstehen.
„WIKU“:Was ist heute am knappsten – Energie?
Händeler: Wenn Sie einen Mittelständler fragen, was sein größtes Problem ist, dann redet er von Personalproblemen, schlechter Zusammenarbeit, und von steigenden Lohnnebenkosten. Dahinter stecken die Kosten des Mangels an Gesundheit, was sich in Frührente, Pflege, Krankheitsreparatur und Arbeitslosenausgaben auswirkt. Je aufwendiger Bildung wird, umso länger muss sie sich amortisieren, also müssen wir länger arbeiten, nicht nur wegen Fachkräftemangel und längerer Lebenszeit.
„WIKU“: Sie sagen:Weniger arbeiten, um länger arbeiten zu können.Wie lässt sich das umsetzen?
Händeler: Indem wir irgendwann weniger Stunden arbeiten, 2 Hierarchiestufen tiefer Aufgaben übernehmen, und langsam aus dem Berufsleben schleichen, statt von heute auf morgen aufzuhören. Die Rente ist hochtoxisch.
„WIKU“: Die meisten Arbeiten sind durch den technischen Fortschritt effizienter geworden, die Last körperlicher Arbeit hat abgenommen. In der Landwirtschaft zum Beispiel gibt es Maschinen für viele Tätigkeiten, die früher mit schwerer körperlicher Belastung verbunden waren. Kann man das auf Wissensarbeit auch übertragen?
Händeler: Ja. Andere Redner verbreiten im Moment Angst, in dem sie sagen, dass durch die Digitalisierung 40 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen werden. Die historische Wahrheit ist jedoch: Gerade weil Maschinen uns produktiver machten, gab es mehr rentable Arbeitsplätze, wurden Ressourcen frei, sie für Neues zu nutzen. Denselben Effekt haben wir auch beim Computer und Internet, und er ist auch nicht neu, sondern findet evolutionär seit 30 Jahren statt.
„WIKU“: Wie könnteWissensarbeit effizienter gestaltet werden?
Händeler: Je komplexer alles wird, umsomehr sindwir auf das Wissen anderer angewiesen. Die Sacharbeiter oder der Spezialist kennen sich viel besser aus als der Chef. Es geht darum, um die bessere Lösung zu ringen, und dabei nicht von der eigenen Kostenstelle auszugehen, sondern vom Gesamtnutzen. Es brechen Status- und Machtkämpfe aus. Der Chef der alten Schule wird entmachtet. Seine Aufgabe ist, den Informationsfluss zu gestalten und zu moderieren, aber am Ende auch die Entscheidung festzulegen.
„WIKU“: Sind flachere Hierarchien die Lösung?
Händeler: Sie müssen durchlässig sein, Informationen nicht von Platzhirschen verhindert werden, das bessere Argument muss gelten – und nicht die Beziehung oder der Status. Das erfordert viel mehr Auseinandersetzung als früher, und so wird die Streitkultur zu dem ökonomischen Faktor, der den Wettbewerb entscheidet. Aber es braucht weiter eine klare Verantwortlichkeit.
„WIKU“: Sie sagen: DieWelt wird besser, wie sie immer besser geworden ist. Ist das angesichts aller Krisen, die wir gerade erleben – von der Finanzkrise über die Flüchtlings- bis zur Rohstoffkrise – nicht etwas zu optimistisch?
Händeler: Zu welcher anderen Zeit hätten Sie denn lieber leben wollen, oder zum Zahnarzt gehen? Ichmeine mit „besser“ aber nicht nurmateriell: Früher waren die Menschen fremdbestimmt, konnten kaum selber entscheiden. Jetzt müssen wir in der Arbeitswelt selber Verantwortung übernehmen, mit anderen um die bessere Lösung ringen, entscheiden. Das führt dazu, dass wir auch ethisch mehr reflektieren müssen, aus wirtschaftlichem Grund: 3Mittelmäßige, die gut zusammenarbeiten, sind bedeutend produktiver als der Supercrack, bei dem es aber nicht gelingt, die Ergebnisse der Arbeitsteilung zusammenzuführen.
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