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Heike Niehues

16. August 2022

Heike Niehues im Executives Day-Interview

Als Executive Vice President von Webasto Thermo & Comfort ist Heike Niehues für alle Geschäftsbereiche von Webasto Customized Solutions (CS) weltweit verantwortlich. Mit großer Dynamik und Begeisterung treibt sie die Weiterentwicklung von CS voran, um die Zukunftsfähigkeit ihrer Hard- und Softwareprodukte und -lösungen für die Kunden zu sichern. Am Executives Day (24.11.2022, Frankfurt am Main) wird sie einen Impulsvortrag zum Thema „Kür und Pflicht einer Strategieentwicklung“ halten.

Frau Niehues, welche Herausforderungen bewegen Ihre Branche aktuell am meisten?

Heike Niehues: Wir sind aktuell und schon seit einiger Zeit stark mit der grundsätzlichen Chip Shortage konfrontiert, die nicht nur in der Supply Chain, sondern auch bei unseren Kunden sehr große Herausforderungen mit sich bringt. Zum anderen verursacht die Ukrainekrise weitere Unwägbarkeiten, die ebenso die Supply Chain und unsere Kunden tangieren. Diese Punkte gilt es gemeinsam und erfolgreich auszusteuern und zu lösen. Zum anderen sind wir natürlich intensiv in der Elektromobilität und der sie begleitenden Transformation engagiert, die wir aktiv mitgestalten wollen, aber auch müssen. Auch da, stellt jeder zusätzliche externe Einfluss eine weitere Herausforderung – zum Beispiel in der Projektentwicklung – dar.

Und wie begegnen Sie diesen Herausforderungen – vor allem im Hinblick auf die Ukrainekrise?

Heike Niehues: Selbstverständlich haben wir, wie vermutlich auch viele meiner Kollegen, zunächst einmal eine Taskforce aufgesetzt, um die Situation umfassend in ständigem Review zu halten und jederzeit kurzfristig Maßnahmen einleiten zu können. Das betrifft wieder das für uns essenzielle Thema Supply Chain, hat auf der anderen Seite aber auch wieder sehr viel mit dem Thema Menschen zu tun. Dabei sind wir immer nah am Puls der Kunden und unterstützen diese, wo wir können. Bei alldem war die Taskforce von großem Wert, die uns flexibel und reaktionsschnell gemacht hat. Da die Krisen leider anhalten, sind wir mittlerweile zu einem längerfristigen Modus übergegangen, sodass wir keine reine Taskforce mehr haben, sondern die Dinge im Daily Business aufmerksam verfolgen, um Maßnahmen zu ergreifen, die die aktuelle Situation erfordert.

Dann kommen wir zum Thema Digitalisierung: Deutschland wird häufig dafür kritisiert, die Digitalisierung verschlafen zu haben. Was tun Sie bei Webasto dafür, die Digitalisierung voranzutreiben?

Heike Niehues: Es gibt auch bei der Digitalisierung mehrere Facetten. Eine betrifft das Unternehmen selbst, seine Prozesse und sein tägliches Tun. Dabei geht es zunächst um das interne Set-up und damit die Palette der Tools, die wir als Mitarbeiter zusammen mit unseren Kollegen nutzen. Selbstverständlich hat die Digitalisierung auch enorme Wirkung auf unsere Fertigung. Wo können wir etwa Robotics verwenden? Hier laufen bereits sehr viele Initiativen, und wir sind da auch schon einen guten Schritt vorangegangen. Auf der anderen Seite betrifft all das auch unsere Kundenschnittstelle. Wie begegnen wir den Kunden? Wie gehen wir damit um, dass die Onlinebestellung zum neuen Standard wird und dass die Customer Experience im Service ebenso mehr und mehr über digitale Medien läuft? Da, würde ich sagen, liegen wir im guten Mittelfeld und haben bereits einige sinnvolle Tools im Einsatz. Man sieht aber auch, dass traditionelle Unternehmen oder solche, die schon lange im Markt sind, sehr enge Beziehungen zu ihren Kunden pflegen, die sich nicht von leichter Hand in eine digitale Schnittstelle bringen lassen. Das ist eine gänzlich andere Transformation, als wenn ich ein Start-up bin, das ganz von vorne anfängt. Entscheidend ist hier, mit den Kunden gemeinsam tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Wie sieht es mit den Kundenwünschen aus? Wo können wir unsere Kunden leicht mitnehmen, und wo müssen wir reden? Da ist der persönliche Kontakt immer noch der wichtigere.

Da die Pandemie aktuell einen Teil ihres Schreckens zu verlieren scheint, kehren viele Mitarbeiter wieder ins Büro zurück. Wie stehen Sie und Webasto zu den Themen Homeoffice, New Work und Agilität?

Heike Niehues: Homeoffice, New Work – ich glaube, man muss es in einem guten Maß miteinander verbinden. Es gibt Bereiche, wo man bereits vor der Pandemie daran gewöhnt war, erfolgreich in einem globalen Team mit digitalen Medien und Unified Communications Tools zu arbeiten. In anderen Bereichen ist der Austausch, der einfach mal bei einem Kaffee entsteht, meiner Meinung nach fundamental für das Miteinander. Auch da müssen wir einen gemeinsamen Weg finden, der nicht nur ein Entweder-oder ist. Ich glaube nicht daran, dass man für jede Funktion, für jede Abteilung das gleiche Set-up wählen kann. Vieles muss das Team individuell abstimmen. Das hängt zum Beispiel auch davon ab, wie lange ein Team schon zusammen ist. Wenn ich seit mehreren Jahren eng zusammenarbeite, kenne ich die anderen und spüre auch im Teams-Call, wenn Emotionen aufkommen, auf die ich eingehen muss. Anders ist das bei einem sehr jungen Team, das frisch entstanden ist, um auch bewusst neue Wege zu gehen. So bringen wir etwa im agilen Umfeld immer wieder neue Themen und Teams zusammen. Dort braucht es mindestens einen, wenn nicht sogar zwei Tage pro Woche, an denen man sich persönlich trifft. In welcher Umgebung das stattfindet, sehen wir relativ entspannt. Wichtig ist, dass das Team gut zusammenfindet, um das bestmögliche Miteinander und die beste Kommunikation für das Team zu finden.

Worauf legen Sie aktuell mehr Gewicht bei Webasto: Strukturen und Prozesse verbessern oder Kultur verändern?

Heike Niehues: Ich glaube, man kann das eine nicht ohne das andere tun. Webasto hat eine sehr gute Kultur. Wir haben sehr tief verankerte Werte, die unser Mitarbeitermiteinander sehr gut beschreiben: Verantwortung mit Weitsicht, Leidenschaft für Qualität und Innovation, Herz und Verstand für unsere Kunden, Freude an Zusammenarbeit und Verbesserung, zupackender Optimismus. Aber auch wir müssen unsere Kultur weiterentwickeln. Die letzten Jahre hat sich durch Agilität, Homeoffice und andere Aspekte natürlich auch die Loyalität zum Unternehmen verändert. Darauf müssen wir eingehen, und das tun wir auch. Prozess und Prozessveränderung ist mein Thema, und das gehört zum Continuous Improvement. Wenn ich irgendwann stehen bleibe und sage: „Das ist der perfekte Prozess“, dann habe ich meines Erachtens den Zeitpunkt gefunden, an dem ich dieses Thema verlassen sollte, weil ich dann nicht mehr die Richtige bin. Ich hatte die Gelegenheit, mit einem älteren Kollegen – er war zu dem Zeitpunkt 65 Jahre alt – zu sprechen, und er hat gesagt, man müsse alle fünf Jahre alles hinterfragen, auf den Kopf stellen und neu erfinden. Das hat mich sehr beeindruckt, und auch ich lege großen Wert darauf, dass der kontinuierliche Verbesserungsprozess nicht zum Erliegen kommt. Es verändert sich so viel auch um uns herum, auch mit so vielen Neuerungen im Bereich der IT-Lösungen, dass es innerhalb der Arbeitsprozesse stetige Verbesserung geben muss. Deswegen gehen strukturelle und kulturelle Veränderung für mich miteinander einher. In einem Unternehmen wie unserem muss sich jeder weiterentwickeln. Aber ich glaube, wir sind durch die Werte schon sehr gut zusammengeführt.

Warum freuen Sie sich auf den Executives Day? Und warum sollte man aus Ihrer Sicht unbedingt daran teilnehmen?

Heike Niehues: Zum einen glaube ich, und das haben wir auch in den letzten Monaten und Jahren festgestellt, ist der Austausch sehr wichtig – der Austausch innerhalb der Branche und darüber hinaus, um neue Perspektiven und Lösungsideen kennenzulernen. Deswegen freue ich mich sehr auf den Executives Day, um ein neues Netzwerk mit aufzubauen, um über den Tellerrand der eigenen Herausforderungen zu schauen und auch mal Dinge zu hinterfragen, die man im Täglichen tut. Das, was ich bisher gesehen habe in Bezug auf die Agenda und auch an Teilnehmern, inspiriert mich sehr. Wieso man daran teilnehmen sollte? Ich glaube, wir müssen wieder verstärkt ins Miteinander gehen. Ich glaube ebenso, Deutschland kann nur in Zukunft gewinnen, wenn wir deutlich mehr in der Kollaboration, in der Partnerschaft gemeinsam nach vorne gehen. Ja, wir stehen im Wettbewerb, in vielen Dingen. Aber ich glaube, wir können auch ganz viel zusammen auf den Weg bringen und damit Deutschland als Wirtschaftsstandort wieder attraktiv machen.

Dann kommen wir nun zur letzten Frage. Hatten Sie während Ihrer beruflichen Karriere schon mal Angst zu scheitern, und haben Sie einen Tipp, wie man am besten damit umgeht?

Heike Niehues: Wenn es nur einmal gewesen wäre, wäre ich ein ziemlicher Perfektionist gewesen. Ich glaube, jeder scheitert immer wieder mal – daraus entstehen auch Erfahrungen, aus denen man wiederum lernt. Ich glaube, man muss ehrlich und offen damit umgehen. Deswegen sage ich: Scheitern ist okay. Das wissen wir alle aus Studien, Erzählungen und anderem mehr. Einmal einen Fehler zu machen, ist okay. Ein zweites Mal sollte er nicht vorkommen. Das kann nur gelingen, wenn wir unsere Erfahrungen teilen, uns austauschen und uns gegenseitig Hinweise geben, damit uns Ähnliches in künftigen Prozessen und Projekten nicht mehr passiert. Wie geht man damit um? Es kommt für mich darauf an, darüber zu reden, mir neue Perspektiven einzuholen – und vor allem, daraus zu lernen, was ich besser machen kann. Ansonsten brauche ich dann Zeit für mich, um mit mir ins Reine zu kommen. Wichtig ist, sich dabei einzugestehen, was passiert ist, und dann zu sagen: „Jetzt weiter und voran!“

Heike Niehues

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