Die Vernehmungsmethoden und Fragetechniken professioneller Ermittler können dabei helfen, mehr und bessere Informationen zu erhalten. Bei einer Vernehmung geht es darum, Wissen zu generieren – genauso wie bei einem journalistischen Interview, einer sogenannten Due Diligence, einem Verkaufsgespräch oder auch bei Preisverhandlungen mit einem Zulieferer. Wissen ist Macht – Informationen zeigen sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen auf. Der ehemalige FBI-Verhandlungsführer Chris Voss sagte einmal, dass ein guter Verhandlungsführer eine gelungene Verhandlung mit solider Vorbereitung beginnt, ein exzellenter Verhandlungsführer jedoch die Verhandlung selbst nutzt, um zusätzliche Informationen zu erlangen. Allerdings offenbaren Gesprächspartner meist nicht alle Informationen, sei es aus wirtschaftlichem Interesse, aus Angst vor Sanktionen, aus Scham oder aus Selbstschutz. Manchmal sind die Auskünfte unvollständig, teils täuscht der Gesprächspartner bewusst oder irrt sich vielleicht. Ermittler stellen sich deshalb vor Vernehmungen entsprechende Fragen: Wie bringe ich den Zeugen oder Beschuldigten dazu, zu sprechen? Welche Fragen stelle ich? Wie gewinne ich möglichst aufschlussreiche Informationen oder erhalte sogar ein Geständnis? Wie durchschaue ich Lügen und erkenne Irrtümer?
Wir leben in einer Zeit von Google und künstlicher Intelligenz. Wir können fast alle objektiven Informationen herausfinden, indem wir sie googeln, in Datenbanken schauen, ChatGPT oder Gemini fragen. Anders ist das allerdings mit persönlichen Informationen, die wir nur im zwischenmenschlichen Gespräch erfahren. Wir können nicht googeln, ob unser Gesprächspartner wirklich bei uns kaufen will, oder nur ein Konkurrenzangebot möchte, um seinen Lieferanten im Preis zu drücken. Wir werden von ChatGPT keine Antwort erhalten, wenn wir fragen, warum sich unser Gesprächspartner so irrational verhält und was sein Bauchgefühl sagt. Googles Gemini wird uns auch nicht die Frage beantworten, ob wir den Kandidaten für unser Unternehmen einstellen sollten! Und künstliche Intelligenz wird uns nur schwer sagen können, ob wir vielleicht durch eine Aussage manipuliert werden sollen.
Viele Erkenntnisse aus der Vernehmungslehre können auch außerhalb von Strafverfahren Anwendung finden. Der Ermittler steuert das Gespräch – „Wer fragt, der führt“ –, nutzt dabei bestimmte Fragetechniken und muss anschließend beurteilen, wie zuverlässig die Aussagen seines Gegenübers sind. Manche Zeugen und Beschuldigte werden bereitwillig Informationen liefern, während andere, wenn es für sie vorteilhaft ist, lügen, Fakten verschweigen oder die Aussage gänzlich verweigern.
Vernehmungstechniken können uns auch helfen, Lügen und Irrtümer in Gesprächen zu erkennen. Wer würde nicht gerne wissen, ob der Gesprächspartner die volle Wahrheit sagt, diese ein wenig verdreht oder uns ein komplettes Märchen auftischt? Kein Wunder, dass sich Wissenschaftler in Theorie und Praxis viele Gedanken darüber gemacht haben, ob und wie eine Lüge zu entlarven ist. Auch in Gerichtsprozessen müssen Richter regelmäßig den Wahrheitsgehalt einer Aussage einschätzen. Für einen Ermittler ist eine Lüge oft das kleinere Übel im Vergleich zu einem Irrtum. Sowohl bei einem Irrtum als auch bei einer Lüge spricht der Gesprächspartner die Unwahrheit – einmal versehentlich, einmal vorsätzlich. Lügen sind jedoch leichter aufzudecken als Irrtümer, da sich die Lüge an der Wahrheit orientiert. Der Lügner will bewusst irreführen, im Gegensatz zum Irrtum, bei dem der Aussagende nicht weiß, dass er eine falsche Aussage macht.
5 Tipps für die Informationsgewinnung aus der Vernehmungslehre
1. Mündliche Gespräche führen in der Regel zu mehr Details und relevanteren Informationen als schriftliche Befragungen.
2. Zeigen Sie Ihren Gesprächspartnern, dass Sie gut vorbereitet sind, aber offenbaren Sie nie, wie viel Sie tatsächlich wissen. Falls nötig, deuten Sie lieber an, mehr zu wissen, als es der Fall ist.
3. Nehmen Sie sich bei wichtigen Gesprächen Zeit für Small Talk und den Aufbau einer Verbindung. Zeigen Sie Ihren Gesprächspartnern Wertschätzung.
4. Schließen Sie nie von der Person auf die Richtigkeit ihrer Aussage. Auch erfolgreiche Geschäftsleute lügen – manchmal sogar sehr gut!
5. Nutzen Sie das Nachgespräch, um weitere Informationen zu erhalten und sich informell auszutauschen.