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Sebastian Wächter

1. April 2024

Wenn er laufen könnte, würden wir ihn einstellen…

Wie steht es um das Thema Inklusion in deutschen Unternehmen? Ein Erfahrungsbericht blickt hinter die Kulissen und zeigt Probleme, Chancen und mögliche Lösungen auf.

Zufälligerweise treffen wir uns in der Stadt. Gut vier Monate zuvor habe ich meine Stelle als Aktienanalyst bei einer Privatbank gekündigt, nun stehe ich dem Personalchef dieser Privatbank gegenüber. Wir haben uns „im Guten getrennt“ und unterhalten uns über den aktuellen Stand meiner Selbstständigkeit und die momentanen Themen im Bankbetrieb. Gegen Ende des Gesprächs kommen noch Erinnerungen an mein damaliges Bewerbungsgespräch auf. Da beugt sich der Personalchef zu mir und sagt: „Wissen Sie überhaupt, Herr Wächter, dass wir Sie damals trotz Ihrer tollen Bewerbung um ein Haar nicht eingestellt hätten?“ „Nein, warum?“, erwidere ich. „Der Vorstand hatte starke Bedenken aufgrund ihrer Querschnittslähmung. Krankheit, Schwierigkeiten im Falle einer Kündigung und nötige Umbaumaßnahmen machten ihm Sorgen. Ich stellte ihm schließlich die Frage: ‚Würden Sie Herrn Wächter anstellen, wenn er laufend ins Vorstellungsgespräch gekommen wäre?‘“, berichtet mir der Personalchef.

Eine Statistik, die in dieses Bild passt, liefert das Inklusionsbarometer 2023. Denn nur 39 % der Arbeitgeber in Deutschland erfüllen die gesetzlichen Vorgaben bzgl. der Anzahl an angestellten, schwerbehinderten Arbeitnehmern. Lieber werden Strafzahlungen in Kauf genommen.
Woran liegt das? Wie können Lösungen aussehen? Welche Vorteile bringt Inklusion mit sich?

Es geht um Haltung:
In meinem speziellen Fall war es so, dass ich der erste Mitarbeiter mit einer Körperbehinderung in der Privatbank war. Wenn Erfahrungswerte fehlen, tendieren wir Menschen dazu, auf Vorurteile zurückzugreifen. Getreu dem Motto: Verurteilen ist einfacher als beurteilen. Welche Vorurteile fallen Ihnen zu Rollstuhlfahrern ein? Diese Vorurteile jedoch führen häufig so einer einseitigen Gesprächsführung und Nicht-Handeln. Deshalb ist Inklusion vor allem eines: Eine Haltung! Geht man offen und interessiert an das Thema, entsteht eine andere Dynamik als bei einem engstirnigen Agieren.

Team-Chemie einmal ganz anders:
„Sebastian, tatsächlich habe ich bisher keinerlei Erfahrungen mit Rollstuhlfahrern. Kannst Du mir bitte sagen, was Du brauchst und wie ich Dir eventuell helfen kann?“ Diese offene und aufrichtige Aussage kam von einem meiner neuen Kollegen im Portfoliomanagement und hat mich positiv überrascht. Gleichzeitig fragte ich mich selbst: „Wie häufig wird wohl solch eine Frage einen Teamkollegen ohne Handicap gestellt?“ Es ist genau dieser Perspektivwechsel, der eine gute Zusammenarbeit fördert und der leider selten geschieht. Denn häufig schließen wir von uns auf andere, mit den entsprechenden Folgen, wie Missverständnis, Unmut und Konflikte. Genau hier kann Inklusion ein entscheidender Bestandteil sein, um den Perspektivwechsel zu fördern.

Inklusion ist keine Einbahnstraße:
Ein großer Teil des Erfolgs bei einer Anstellung eines Mitarbeiters mit Handicap, hängt auch vom Mitarbeiter selbst ab. Allen voran steht natürlich die Offenheit und Klarheit bzgl. dem, was man zu leisten im Stande ist, wo Schwierigkeiten entstehen können und in welchen Bereichen Hilfe benötigt wird.
Letztlich handelt es sich auch hier wiederum um eine Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zu deren Erfolg beide Parteien beitragen. Eine Anspruchshaltung ist hier die falsche Herangehensweise, von beiden Seiten im Übrigen.

Letztlich war die Frage des eingangs beschriebenen Personalchefs, nämlich ‚Würden Sie Herrn Wächter einstellen, wenn er laufend ins Vorstellung sprechen kommen wäre?‘, entscheidend, um ein Umdenken beim Vorstand zu bewirken. Statt einer Bewahrheitung der Vorurteile war die Zusammenarbeit über vier Jahre hinweg durchaus erfolgreich, für beide Seiten.
Das wiederum gilt nicht nur für Menschen mit Handicap… Wie viele homosexuelle Arbeitende haben Sie bei sich im Unternehmen? Oder Farbige? Oder Ausländer? Oder Frauen? Und können Sie sich es leisten, weiterhin auf die Zusammenarbeit mit „Anderen“ zu verzichten? Gerne unterstütze ich, wenn Sie hier entgegenwirken möchten.

Sebastian Wächter

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