Das Kreuz mit der Arbeit
Wer kennt das nicht: Außer der hohen Arbeitsbelastung, der Digitalisierung und der zunehmenden Arbeitsverdichtung hat man „nebenbei“ auch noch Familie und will eine gute Mutter/ein guter Vater sein. Und das alles über einen längeren Zeitraum, über Jahre – und man will ja auch noch Karriere machen oder ein Business aufbauen. Allerdings ist das mit der eigenen Energie so wie mit einem Bankkonto: nur abheben, aber kaum etwas einzahlen, das geht auf Dauer nicht. Irgendwann bekommt man einen mahnenden Anruf von seiner Bank. Man muss auch mal einzahlen bzw. eben entspannen. Medizinisch erklärt: Es braucht im vegetativen Nervensystem eine gesunde Balance zwischen dem Sympathikus-Anteil (Aktivität und Stress) und dem Parasympathikus-Anteil (Regeneration und Erholung). Aber oft kommt der Sympathikus-Anteil von seinem chronisch übererregten Level kaum noch runter.
Wer langfristig nicht regeneriert, wird irgendwann die Leistungsfähigkeit verlieren. Wenn Sie Ihr Auto im 1. Gang, aber Vollgas von Hamburg nach München fahren, dann ist es am Ziel nur noch Schrott – falls Sie überhaupt ankommen. Die chronische Überlastung von Menschen zeigt sich oftmals am Anfang mit Schlafstörungen, häufig drohen Süchte zur Kompensation, dann kommt chronische Erschöpfung dazu bis hin zum Burnout, sowie die Gefahr mentaler und körperlicher Erkrankungen. Solange es aber noch gut geht, ignorieren wir das meistens. Wenn das Ungleichgewicht aus Aktivität und Regeneration erst einmal richtig gestört ist, dann wird das Gegenzusteuern immer schwieriger. Tut man es rechtzeitig, dann ist es viel leichter.
Falsche Regeneration – Weit verbreitet
Oft höre ich: „Kein Problem, ich mache Sport, ich liebe Geselligkeit und ich kann mich eh gut ablenken“. Nichts gegen Sport, gegen einen guten Wein oder ein bisschen Zerstreuung. Allerdings, bei näherem Hinsehen offenbaren sich oftmals ein paar Kehrseiten:
- Erschöpfung: Wer am Abend 15 Kilometer laufen muss, um endlich erschöpft zur Ruhe zu kommen, der verwechselt Erschöpfung mit Entspannung. Es mag sich zwar ähnlich anfühlen, ist aber ganz und gar nicht dasselbe. Erschöpfung ist nur etwas Oberflächliches, man kann dabei weiterhin angespannt sein.
- Ablenkung: Um sich vom Stress abzulenken, surfen viele im Internet herum. Aber das Internet „heizt“ den Verstand zusätzlich an. Es lenkt vielleicht vom Arbeitsalltag ab oder von Sorgen ab, letztlich wird das „Gequatsche“ im Kopf aber nur lauter und zur Ruhe zu kommen auf Dauer gesehen schwerer.
- Intoxikation: Wer eine Flasche Wein braucht, um vom Stress herunterzukommen, dem sei versichert, dass das keine richtige Entspannung ist (die Betonung liegt auf „brauchen“). Auch wenn das niemand hören mag, aber es handelt sich hierbei eher um eine (leichte) Vergiftung. Meistens wacht man dann entweder in der Nacht wieder auf und/oder man fühlt sich am nächsten Morgen kaputt und geschwächt.
Richtige Regeneration – Ganz banal
Richtige Entspannung, die auch den regenerativen – den parasympathischen – Anteil des vegetativen Nervensystems erreicht, ist zwar etwas Natürliches, muss aber oftmals erst wieder erlernt werden. Achtsamkeit, Meditation und medizinische Selbsthypnose sind wunderbare Werkzeuge dazu und können von jedem ganz leicht erlernt werden. Deshalb so leicht, weil sie letztlich alle auf natürlichen Phänomenen beruhen. Aber auch ein (regelmäßiger!) Waldspaziergang (ohne Handy!) kann nahezu Wunder für die Regeneration bewirken.
Für alle, die jetzt sofort sagen: „Das mag ja alles stimmen, aber ich habe nun einmal ein hohes Arbeitspensum zu schaffen“, denen möchte ich noch eine kleine, aber sehr grundlegende Geschichte zum Thema Regeneration erzählen: Sie handelt von einem früheren Klienten – 40-jähriger Mann, Chef eines mittelständischen Unternehmens. Er kam zu mir wegen Schlafstörungen und eines chronischen Reizdarmsyndroms. Bevor wir mit irgendwelchen anderen Maßnahmen überhaupt starteten, empfahl ich (um ehrlich zu sein: drängte ich) – aufgrund von Stress und einer hohen Arbeitsbelastung – zu einer „richtigen“ Mittagspause, und zwar täglich für eine Woche. Bisher dauerte diese aufgrund des hohen Arbeitspensums maximal 10 Minuten und bestand aus einem Wurstbrötchen, welches am Computer sitzend verzehrt wurde. Das Ergebnis dieser kleinen Maßnahme war beeindruckend: Er machte täglich eine Pause von immerhin 45 Minuten und verließ die Firma, um zu Fuß ein Gasthaus zu besuchen (Handybenutzung nur in wirklich dringenden Fällen). Und nur aufgrund dieser einen Maßnahme wurde sein Nachmittag um so vieles effizienter, dass er trotz der „verlorenen 45 Minuten“ eine ganze Stunde früher die Firma verlassen konnte. Das bedeutete, dass sein Sohn noch nicht schlief, er mit ihm spielen konnte und auch seine Frau damit entlastete – eine klassische win-win-win Situation.
Und SIE, wie entspannen SIE?