Im Moment haben wir es alle nicht leicht. Vom Kindergeschrei im Homeoffice über wenig produktive Online-Meetings bis zu dahinsiechenden Geschäftsmodellen fühlt sich derzeit alles ein wenig mühsam an. Vielleicht sind Sie noch dazu Führungskraft, haben Verantwortung für Menschen und Organisationen und wollen möglichst viel im Sinne der Unternehmensziele bewegen. Doch immer wieder kommen Sie an die Grenzen der coronabedingten Einschränkungen und der unglaublich variablen Rahmenbedingungen der aktuellen Zeit und fühlen sich dadurch manchmal machtlos … Nun habe ich leider kein Wundermittel gegen die Pandemie, doch ich habe mich in meinem Leben bereits sehr viel mit proaktivem Change beschäftigt und auch in scheinbar aussichtslosen Zeiten immer wieder überraschend positive Wendungen erlebt.
Ich komme aus einer Familie mit Suchtkrankheiten, deren Folgen sowohl mein Vater als auch mein Bruder nicht überlebt haben. Bei verschiedenen Gelegenheiten musste ich mich daher mit dem furchtbaren Gefühl der Ohnmacht auseinandersetzen, die Angehörige von Süchtigen erleben. Denn man kann die Betroffenen niemals retten, wenn sie es selbst nicht wollen. So schwierig es auch wahr, dies zu akzeptieren, so sehr hat diese Zeit meinen Blick dafür geschärft, wie ich auch in schwierigen Situationen handlungsfähig bleibe. Wann immer Ohnmachtsgefühle auftreten, habe ich gelernt – wenn es sein muss, auch mit der Lupe – nach einem Handlungsspielraum zu suchen, der zu einer Verbesserung der Situation führt. Folgende drei Aspekte können Sie dabei unterstützen:
1. Aktuelle Situation ehrlich wahrnehmen und akzeptieren
Manchmal ist es bitter, ehrlich hinzusehen, doch irgendwie auch entspannend. Denn die Energie, die man bisher für die Aufrechterhaltung einer Illusion verwendet hat, kann man nach einer aufrichtigen Bestandsaufnahme für erste Schritte in eine neue Richtung verwenden. Ich kenne Manager, die seit über einem Jahr an der oberen Belastungsgrenze arbeiten und sich dennoch keinen Urlaub nehmen. Andere machen ihre Arbeit im Homeoffice nur mehr im „standby“ Modus und setzen sich erstmals in ihrem Leben mit dem Begriff „Boreout“ auseinander. Doch erst wenn man innehält und sich eingesteht, dass „mehr vom Gleichen“ einem eher schaden als nützen wird, kann man einen proaktiven Change starten – eine Veränderung, die rechtzeitig stattfindet und die verhindert, dass man später durch radikalere Einschnitte wie Krankheit oder Jobverlust zum Umdenken gezwungen wird.
2. Motivierendes Zukunftsbild kreieren
Hat man die Tatsachen am Tisch, ist es oft nicht einfach, sich aus der zähen Masse der Probleme zu lösen und ein positives Zukunftsbild zu kreieren. Doch: Nutzen Sie die geniale Fähigkeit des Menschen, dass er sich in mögliche Zukunftsszenarien hineindenken und -fühlen kann. Wenn Sie noch nicht wissen, was Ihre große Vision ist, gehen Sie einen ersten Schritt in eine Richtung, die angenehm ist. Klingt banal? Ist es aber nicht – es ist belegt, dass sich Menschen z.B. aus massiven Burnout-Situationen mit ganz einfachen neuen Gewohnheiten wie täglich eine halbe Stunde laufen in eine stabile Stimmung bringen können, wo sie sich langsam wieder mit neuen Lebensperspektiven befassen können. Auch das ist proaktiver Change!
Viele Menschen wissen gar nicht, wozu sie fähig sind – sie hypnotisieren das Problem und lernen es so sehr lieben, dass sie es nicht mehr missen wollen. Ein kleiner Blick links oder rechts könnte jedoch bereits eine Mini-Lösung sein. Ich selbst habe mich z.B. lange gewehrt, mich auf Social Media zu vermarkten und gewartet, bis wieder „echtes“ Networking möglich ist, um neue Kontakte zu knüpfen. Doch irgendwann kam der erste Post und das erste „Like“ und spielerisch begann ich, mich der Materie zu nähern und merke, es macht sogar Spaß!
3. Den neuen Weg konsequent gehen
Die Reise ins Neue beginnt mit dem ersten Schritt und oft wird sie beim Auftauchen von Widerständen wieder beendet – nämlich genau an der Stelle, wo das Alte (Gewohnte) sich schon verabschiedet und das Neue noch nicht gewohnt ist. Dann kommen Ängste, Unsicherheiten und manchmal auch Aggressionen hoch und mit diesen Gefühlen können viele Menschen und auch viele Führungskräfte nicht umgehen. Die Zauberformel lautet hier: Bitte dableiben und zuhören! Mit sich selbst und mit den Mitarbeitern in Kontakt bleiben, auch wenn es gerade ungemütlich ist, scheint mir ein Schlüssel für die Arbeitswelt der Zukunft zu sein. Denn der Wandel wird bleiben und sich möglicherweise noch verstärken.
Für einen proaktiven Change in Organisationen ist besonders wichtig, dass sich mindestens eine Person (sind Sie das?) für eine Veränderung verantwortlich fühlt und über den oben genannten „Nullpunkt“ hinaus dranbleibt. Zusätzlich ist es hilfreich, sich Verbündete zu suchen und ein Veränderungsnetzwerk zu kreieren. Finden Sie jene Menschen in Ihrem Umfeld, die ähnlich denken wie Sie und Ihr Vorhaben unterstützen – gerne auch in höheren Führungsetagen. Mit dem Top-Management im Rücken lässt sich in Unternehmen eben eine ganze Menge bewirken…
Ich hoffe, diese drei Aspekte für einen proaktiven Change waren eine wertvolle Inspiration für Sie – wenn Sie mehr zu diesen Themen erfahren möchten, lesen Sie gerne mein Buch „Emotionales Change Management“. Abschließend möchte ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, noch ermuntern, an Ihren persönlichen und beruflichen Veränderungen dranzubleiben. Jeder Mensch kann sich verändern, wenn er sich dazu entschließt! Wenn einer oder eine von Ihnen dabei Unterstützung braucht – I’ll be there …