Laut neurowissenschaftlichen Erkenntnissen lassen sich durch einfache Methoden Stress reduzieren.
Die Akademie für Neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB) informiert im letzten Regionalmeeting zum Thema „Die Arbeit mit dem Wachzustand“. Es gibt sehr effektive Methoden, Stress zu reduzieren und negative Programmierungen des Unterbewusstseins nachhaltig zu verändern. Das“ Mind-Model“ folgend spielt hier das Training der bewussten Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle.
Da es beim Erleben von negativem Stress, vor allem die kognitive Verarbeitung, das heißt die gedanklich-emotionale Bewertung einer Situation ist, die darüber entscheidet, ob die Stressreaktion im Körper in Gang gesetzt wird oder nicht, liegt hier ein hohes Potential für uns und unsere Klienten. Natürlich wird es im Einzelfall auch darum gehen, externe Stressoren zu minimieren oder äußere Arbeitsbedingungen zu optimieren. Sehr oft jedoch lässt sich die Situation im Außen nicht oder nicht ausreichend verändern und es bleibt uns nur die Möglichkeit, den „internen“ Umgang damit zu modulieren. Das Wachbewusstsein ermöglicht uns über die gezielte Lenkung der Aufmerksamkeit die „Innenschau“, also die Selbstreflexion darüber, was auf mentaler Ebene in uns vorgeht. Das bewusste Wahrnehmen unserer geistigen Inhalte ist der zentrale Schlüssel, um im Alltag auf konstruktive Art und Weise mit uns, aber auch mit unserer Umwelt umzugehen und eine wertschätzende und wohlwollende Kommunikation mit unseren Mitmenschen zu pflegen.
Destruktive Muster – die 4 Ebenen des „Selbst“
Vieles, was wir denken und fühlen, läuft als unterbewusstes Programm ab. Die stressauslösenden Gedanken- oder Emotionsschleifen bezeichne ich der Einfachheit halber als destruktive Muster. So ein Muster kann sich im Arbeitskontext als wiederkehrende Unsicherheit im Rahmen von Kundengesprächen oder Präsentationen zeigen oder als stark emotionales Reagieren auf einen bestimmten Arbeitskollegen. So ein Muster kann aber auch der Stress auslösende Anspruch sein, alles immer perfekt machen zu müssen, mangelndes Selbstvertrauen oder wiederkehrende Stresssymptome beim Arbeiten unter Zeitdruck. Wie thematisch unterschiedlich gelagert die störenden Muster auch sein mögen, sie haben eines gemeinsam: Sie sind abgespeichert in den neuronalen Netzwerken unseres Gehirns.
Wenn wir ein solches Muster verändern wollen, müssen wir dieses als ersten Schritt ins Bewusstsein heben. Denn Ohne Bewusstsein keine Kontrolle! Dafür kann man beschreiben was typisch in der belastenden Situation konkret vor sich geht.
Und zwar auf den 4 Ebenen des „Selbst“. Diese Ebenen sind:
1) Die Gedanken
2) Die Emotionen
3) Die Körperreaktionen
4) Das Verhalten
Fragen Sie sich zunächst, welche Gedanken in Ihrer stressauslösenden Situation typischerweise durch den Kopf gehen und schreiben sie diese auf. Dann gehen Sie der Frage nach, welche Emotionen sie dabei empfinden. Schließlich, welche körperlichen Veränderungen oder Körperempfindungen sie dabei wahrnehmen und wie Sie letztlich tendieren sich in dieser Situation zu verhalten. Durch dieses Reflektieren der eigenen vier Ebenen und das bewusste Niederschreiben, heben Sie ihr Problem oder ihr Muster an die Oberfläche ihres Bewusstseins und sie werden wachsamer und sensibler dafür.
Die Atmung – „Helfer in der Not“
Der Auftrag an Sie besteht nun darin, im Alltag aufmerksam für das Auftreten dieses Musters auf einer dieser vier Ebenen zu sein und dessen Beginn ganz bewusst wahrzunehmen.
Es geht darum, in dem Moment präsent zu sein, in dem sich Negativität auszubreiten beginnt. Es genügt zunächst, den Entstehungsmoment dieses Musters bewusst wahrzunehmen und die eigenen Gedanken und Gefühle dabei wertfrei zu beobachten und sie anzunehmen wie sie gerade sind, ohne in einer besonderen Art und Weise darauf zu reagieren oder sie verändern zu wollen
Das reine Wahrnehmen und Annehmen der eigenen Gefühlslage ist also der erste entscheidende Schritt. Im nächsten Schritt kann man beginnen, das Muster zu verändern. Die eben begonnene Gedanken- oder Emotionsschleife lässt sich nun effektiv unterbrechen, indem man die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Atmung richtet und beginnt, etwas tiefer und gleichmäßiger zu atmen, als man es normalerweise tut.
Konzentrieren Sie sich auch auf Ihre Atmung, wenn möglich auf die vielen Einzelheiten der Atmung. Das Heben und Senken der Bauchdecke, den feinen Temperaturunterschied der Ein- und Ausatemluft im Bereich der Nasenlöcher und leiten Sie ihn an, über den gesamten Verlauf der Atmung den gleichen Atemfluss aufrecht zu erhalten. Wenn man diese Atmung für etwa 30 bis 60 Sekunden konsequent durchführt, geschehen zwei wesentliche Dinge:
Erstens schaltet der Körper bei dieser verlangsamten und regelmäßigen Atmung auf den Parasympathikus um und aktiviert somit jenen Teil des autonomen Nervensystems, den man als das Bremspedal bezeichnen kann. Während in Stresssituationen der Sympathikus – das Gaspedal des autonomen Nervensystems – gedrückt wird und der Stress- und Cortisol Level im Körper ansteigt, senkt der Parasympathikus als Bremse das Stressniveau ab und die Stressreaktion wird im Körper unterbrochen.
Dies kann man eindeutig durch Messung der Herzratenvariabilität nachweisen, was von ausgebildeten Trainern auch Anwendung findet. Die Herzratenvariabilitätsmessung ist eine spezielle Methode der Pulsdiagnostik, die Auskunft über die Funktionsweise des autonomen Nervensystems gibt und das Stressniveau im Körper anzeigen kann.
Der zweite Effekt, den man durch fokussierte Atmung erreicht, zeigt sich dabei auf mentaler Ebene. Wenn die gesamte Aufmerksamkeit auf die Atmung fokussiert ist, wird den problembehafteten Gedankenschleifen die Energie der Aufmerksamkeit entzogen.
Es fließt durch diese Netzwerke dann kein elektrischer Strom mehr und die, dem Stress zugrunde liegenden Gedanken und Emotionen beginnen abzuflauen und schließlich zu versanden. Die bewusste Lenkung und Fokussierung der Aufmerksamkeit, ist also ein Schlüsselelement im Umgang mit negativen Gedanken und Emotionen und bietet eine sehr effektive Möglichkeit, selbstwirksam zu sein.
Positiv-Fühlen versus Positiv-Denken
Durch konzentrierte und fokussierte Atmung können Stressreaktionen in der Regel effektiv und schnell unterbrochen werden und es stellt sich ein emotional neutraler Zustand ein. Die Menschen merken, dass sie ruhiger werden und Negativität verschwindet. Man kann diesen Moment nun erfolgreich nutzen, um eine positive Gedanken- und Emotionsspirale im Körper-Geist-System zu etablieren. Wenn man die Imaginationsfähigkeit des Gehirns nutzt, um ein emotional positiv besetztes, inneres Bild in sich hervorzurufen, dass eine fühlbar positive Emotion auslöst, kann man den stressreduzierenden und regenerativen Effekt der Atmung sogar noch verstärken. Bei Messungen der Herzratenvariabilität zeigt sich dabei eindeutig, dass die Aktivität des Parasympathikus, also des bremsenden Teils des Autonomen Nervensystems noch einmal zunimmt. Man bedient sich also einem inneren Bild als „positiven Anker“, um bewusst eine positive Emotion zu erzeugen.
Die Arbeit über ein inneres Bild ist, den Gesetzmäßigkeiten des Unterbewusstseins geschuldet, dabei viel effektiver als das oft propagierte „Positiv-Denken“, das kaum bei einem Klienten wirklich funktioniert, oder zumindest niemand genau weiß wie das geht. (dazu gibt es auch tolle Methoden aus der Positiven Psychologie“)
Bleibt man also auf die Atmung fokussiert, während man gleichzeitig einen positiven inneren Anker hervorruft, stellt sich nach kurzer Zeit eine positive Emotion ein, die positivere Gedanken und Bewertungen zur Folge hat, wodurch der Stresspegel im Körper nachweislich sinkt.
Fragen Sie Ihren Klienten, welches innere Bild in ihm ein Gefühl von Freude oder Herzenswärme auslöst und lassen Sie ihn auch dieses Bild aufschreiben. Für viele Menschen ist das zum Beispiel das eigene Haustier, ein bekannter und schöner Ort in der Natur, der Ruhe und Frieden vermittelt oder ein kleines Kind aus dem näheren Umfeld, zu dem man eine besondere Herzensbindung hat. Es soll dabei ein rein positiv besetztes Bild sein, das bei bewusster Erinnerung daran, eine spürbar positive Emotion erzeugt.
Die „Herzebene“ in der Kommunikation
Gerade das Hervorrufen und wiederholte Trainieren von Mitgefühl hat dabei einen besonderen Effekt auf die Wahrnehmung unserer Umwelt und somit auch unserer Mitmenschen. Mitgefühl verändert die Bewertung des Gegenübers in die positive Richtung und erleichtert eine wertschätzende Grundhaltung in der Kommunikation. 25% der Berufstätigen geben an, durch konfliktbehaftete Kommunikation mit ihren Mitmenschen regelmäßig Stress zu erleben. Ein regelmäßiges Training von Mitgefühl hat sich in diesem Zusammenhang als besonders wirkungsvoll gezeigt. Im Rahmen von Mitgefühlstrainings wird im Wesentlichen darauf geachtet, in Interaktion mit dem Gegenüber die Grundhaltung einzunehmen, dass jeder Mensch in der Tiefe seines Herzens einfach glücklich sein und Leid von sich fernhalten möchte. Allein die Vergegenwärtigung dieser Tatsache kann uns helfen, unseren nervenden Arbeitskollegen nicht mehr als den lästigen Nerd vom Nebentisch zu betrachten, sondern in ihm vielleicht sogar einen liebenden Familienvater zu sehen. Das Einüben einer mitfühlenden Haltung vermag Stress in der Kommunikation deutlich zu reduzieren und ein positives Miteinander zu fördern. Bestimmt kennen Sie einen Menschen, der es schafft, Sie regelmäßig auf die Palme zu bringen oder zumindest ein klein wenig zu enervieren. Kommt es mit einem bestimmten Menschen regelmäßig in der Kommunikation zu Konflikten, dann kann folgende Übung sehr hilfreich sein:
Nehmen Sie sich die Zeit, sich diese Person einmal deutlich vor Ihrem inneren Auge zu vergegenwärtigen. Wie sie aussieht, wie sie spricht, wie sie sich verhält. Dann schreiben Sie auf ein Blatt Papier 5 Eigenschaften auf, die Sie an Ihrem Gegenüber schätzen. Bei so manchem Gegenüber muss man durchaus erfinderisch sein, aber es sollte gelingen, zumindest eine Handvoll Eigenschaften zu finden, die man an dem anderen wertschätzen kann. Vergegenwärtigen Sie sich diese Aspekte nun ganz bewusst und schauen Sie dann erneut auf diese Person. Es ist oft erstaunlich, wie schnell sich die eigene Haltung gegenüber einem Menschen ändern kann, wenn wir beginnen unsere Aufmerksamkeit zielgerichtet auf die positiven Aspekte des Gegenübers zu lenken!
Quelle: AFNB – Akademie für Neurowissenschaften