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Pattrick Rottler

7. Mai 2019

Teil 2. Anonyme Erpressung – Einsatz für den Sprachprofiler

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Artikel von Patrick Rottler, Sprachprofiler am Institut für forensische Textanalyse

Täter, die im Text bewusst tarnen und täuschen

In der praktischen Fallarbeit haben wir es auch mit Tätern zu tun, die ihre Sprache absichtlich verstellen. So wird beispielsweise gerne versucht, durch gebrochenes Deutsch und bewusst eingebaute Fehler, einen ausländischen Ursprung vorzutäuschen. Häufig wird – wie auch im Erpressungsschreiben an Ralf Rasend – die “Wir-Form” verwendet, mit der Einzeltäter versuchen, ihre Spuren zu verschleiern oder ihrer Aussage mehr Gewicht zu geben. Hier gilt grundsätzlich: Ein Täter kann nur verstellen, was ihm auch bewusst ist! Und da Sprache eben zu einem sehr hohen Anteil unterbewusst abläuft, bleiben in der Regel dann doch genug sprachliche Spuren übrig, um eine Täterschaft annehmen oder ausschließen zu können. Ob dieser Nachweis geführt werden kann oder nicht, ist am Ende nur eine Frage der zur Analyse zur Verfügung stehenden Textmengen. Je mehr Tattext und je mehr Vergleichstext, desto besser sind die Möglichkeiten für den Sprachprofiler.

Der methodische Ansatz, um sprachliche Codes zu knacken

Bei der Textanalyse wird nach sprachwissenschaftlichen Verfahren gearbeitet, die im deutschsprachigen Raum Prof. Dr. Raimund H. Drommel etabliert und weiterentwickelt hat. Jedes Wort und jedes Zeichen aus dem anonymen Tatschreiben wird mit jedem Wort und jedem Zeichen aus den Vergleichstexten abgeglichen. Grundsätzlich wird dabei nach Normabweichungen vom Standard-Deutschen gesucht. Systematisch auftauchende sprachliche Fehler haben die höchste Signifikanz. Aber auch systematische Auffälligkeiten, die aus sprachwissenschaftlicher Sicht keine Fehler darstellen, können zum Täter führen. Je höher der Abweichungsgrad gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch, desto höher ist die Aussagekraft.

Analysefelder beim vergleichenden Sprachgutachten

Jeder Text wird auf sechs Ebenen analysiert. Dabei wird nach übereinstimmenden Mustern gesucht. Manche Menschen verwenden zum Beispiel, genau wie unser anonymer Täter oben, regelmäßig Formulierungen wie “bis dato”, während andere im selben Kontext eher Synonyme wie “bislang”, „bisher“ oder „bis heute“ nutzen. Oder aber sie wählen im Satzbau Konstruktionen mit „seit“ oder „seitdem“. Solche Auffälligkeiten können sich durch ganze Texte ziehen, mitunter sogar durch ein ganzes Leben. Wenn der Sprachprofiler in der Lage ist, vier bis fünf solcher Muster zu erkennen, bildet sich schon langsam so etwas wie ein sprachlicher Fingerabdruck. Wobei der Abgleich der Wortwahl die einfachste der sechs Ebenen ist. Analysiert wird dann bis tief in die Feinheiten der Grammatik von Haupt- und Nebensätzen.

Alle Tat- und Vergleichstexte werden systematisch nach folgenden Feldern untersucht:

  • Optische Gestalt des Textkörpers, einschließlich der Rechtschreibung (Phänotyp)
  • Ausdruckseinheiten mit vorwiegend grammatischer Funktion (Morphologie, grammatische Morpheme, Morpheme im engeren Sinne)
  • Satzbau und Grammatik (Syntax)
  • Wortschatz, Wortgebrauch (Lexik, Idiomatik)
  • Alle die Satzgrenze überschreitenden und damit textkonstituierenden Phänomene (Textematik)
  • Autorenspezifische psychologische Charakteristika, die sich in der Sprache niederschlagen, zum Beispiel die dominante Grundmotivation, der dominante Wahrnehmungskanal oder aus Texten gewonnene Sprach-Verhaltens-Profile (Sprachpsychologie)

Anforderungen an die Vergleichstexte

Um ein vergleichendes sprachwissenschaftliches Gutachten anzufertigen, müssen die Vergleichstexte bestimmte Kriterien erfüllen. Sie müssen jeweils zweifelsfrei einer konkreten Person zugeordnet werden können und auch von dieser erstellt/verfasst worden sein. Die zu vergleichenden Schreiben sollten im Idealfall derselben oder nach Möglichkeit einer ähnlichen Textsorte angehören. Die bestmögliche Vergleichbarkeit ist gegeben, wenn Briefe mit Briefen, Berichte mit Berichten, Konzepte mit Konzepten, Kurztexte mit Kurztexten und E-Mails mit E-Mails, verglichen werden. Die zu vergleichenden Schreiben sollten zudem keine zu großen Zeitabstände zueinander haben. Die Zeitnähe der Texte ist wichtig, um auszuschließen, dass sich das sprachliche Verhalten des Täters in der Zwischenzeit zu sehr verändert hat. Außerdem muss ausreichend Textmenge zur Verfügung stehen: Je mehr, desto besser.

Praktisches Vorgehen bei den Ermittlungen

Pattrick Rottler

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