…oder ist das Ziel von übermorgen nicht morgen schon überholt?
Kennen Sie das?
„Ob ich heute hier bin oder nicht, das macht doch keinen Unterschied!“ Mir ist überhaupt nicht klar, wie wir das jemals erreichen sollten, das ist viel zu weit von mir weg!“ „Das haben die sich wieder mal am grünen Tisch ausgedacht, mit mir hat das gar nichts zu tun!“
Alles Äußerungen, die mir tagtäglich in meiner Beratungspraxis begegnen. Mitarbeiter und Führungskräfte, die das Ziel hinter einer Aktion nicht wirklich kennen. Mitarbeiter mit denen Jahresgespräche geführt werden, die kein wirklicher Dialog sind. Sie werden oft nur deshalb geführt, weil die Personalabteilung in ein paar Wochen nachfragen wird, ob die Gespräche auch geführt worden sind. Das hat weder für die Führungskraft noch für den Mitarbeiter einen hohen Unterhaltungswert. Ganz im Gegenteil, da wird ein Gespräch nach einem vorgegebenen Schema abgearbeitet, und wenn dann noch ein bestimmter Bonus an einen Zielerreichungsgrad geknüpft wird, dann geht das Geschachere wie auf einem türkischen Bazar los. Für echte Entwicklung, neue Ideen, die Qualität der Zusammenarbeit oder das Besprechen von Fehlern (aus denen gelernt werden kann) ist hier wenig bis gar kein Raum. Und wenn sich die Ziele dann noch unterjährig verändert haben, das Mitarbeitergespräch jedoch nur einmal im Jahr stattfindet und es unterjährig keine Zielanpassung gegeben hat, dann, ja dann ist der Sinn solcher Mitarbeiterjahresgespräche höchst fragwürdig.
Was also anders machen? Nicht dass Sie mich falsch verstehen, ich bin ein großer Fan von Mitarbeiterkommunikation, vielfältiger Dialoge und echtem Austausch. Austausch, der den Mitarbeitern Anreize setzt, sich wirklich einzubringen und die Aufgabe zu ihrer Aufgabe zu machen. Und wenn ich von Anreizen spreche, dann denke ich nicht in erster Linie an monetäre Anreize, sondern an Sinnvermittlung, Einbeziehung und Wertschätzung.
Fragen Sie sich doch wieder einmal, wann Sie im privaten Bereich das letzte Mal für ein Ziel die Extrameile gegangen sind. Wann Sie bereit waren, Widerstände zu überwinden, Risiken einzugehen und aus Fehlern zu lernen. Wann haben Sie wirklich Verantwortung für das Erreichen übernommen? Und wie kann es Ihnen gelingen, genau diese Emotionen bei Ihren Mitarbeitern wachzurufen, sie zu Mitunternehmern zu machen?
Die SMARTe Zielsetzungmethode kennen wir alle:
Spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sollen die Ziele sein, damit sie auch erreicht werden können. Soweit so richtig, doch in einer Welt, die volatil ist, die sich ständig verändert und in der das Ziel vom Jahresanfang schon im 2. Quartal überholt scheint, reicht das nicht mehr aus. Ich möchte diese Zielformel daher um eine weitere SMARTe Begrifflichkeit für Sie ergänzen:
S steht für „spezifisch“ also möglichst konkret.
Unternehmen wie Oracle, Twitter, oder LinkedIn wenden dies schon lange im Rahmen der OKR Methode an. Sie definieren ihre Ziele (objectives) unternehmensweit und ordnen ihnen messbare Schlüsselergebnisse zu (key results). In regelmäßigen Abständen werden die Erfolge gemessen und neue OKR definiert.
Das neue zusätzliche S steht für „simpel“. Gut gemachte Visionen und daraus abgeleitete Ziele, an denen sich das Managementverhalten wirklich ausrichtet, geben Orientierung, und zwar langfristig. Die Mitarbeiter wissen durch die Vision (Wer sind wir, wenn wir unsere Vision erreicht haben?), die Mission (Was ist der tiefere Sinn unseres Handelns?) und die Strategie (Wie kommen wir da hin, wo wir hinwollen?), was von ihnen erwartet wird und wie sich das Unternehmen langfristig ausrichten möchte. Vielfach wünschen sich Manager mehr „Unternehmertum“ von ihren Mitarbeitern, also mehr Eigeninitiative, mehr innovative Ideen und vorausschauendes Handeln. Doch ohne eine implementierte Vision, die nicht mit jedem neuen Vorstand wieder abgelöst wird, sowie der Bereitschaft des Managements, das eigene Handeln wirklich sichtbar für die Mitarbeiter daran auszurichten, bleibt dieser Wunsch für die Mitarbeiter schwer umsetzbar. Woran soll ich mein Tun ausrichten, wenn die Orientierung und damit die Sicherheit fehlen?
Eine möglichst simple formulierte Vision (z.B. Der HSV spielt bis spätestens 2020 wieder in der Bundesliga) wird dann im nächsten Schritt konkretisiert und auf das Team bzw. auf jeden einzelnen Spieler runtergebrochen. Für das Team könnte das Ziel lauten: Im Schnitt weniger als 1 Gegentor pro Spiel in der nächsten Saison. Und für den einzelnen Spieler hieße das in Abhängigkeit von seiner Position: Die Abwehrleistung verbessern oder die Quote der gewonnenen Zweikämpfe um x-Prozent steigern.
Damit wird gleichzeitig das M für „messbar“ bedient.
Das neue zusätzliche M steht für „mutig“ und ambitioniert: Die Komfortzone soll verlassen, Sicherheitsdenken vermieden werden. Bei Google gilt eine Quote von 60 bis 70 Prozent bei der Zielerreichung als optimal. Dies ist natürlich nur möglich, wenn die Zielerreichung, wie hier zu Lande oftmals üblich an den Bonus oder die Beförderung geknüpft ist. Vielmehr sollte gemeinsam hingeschaut werden, welche Gründe es für das mögliche Scheitern gab und wie im nächsten Schritt damit umgegangen werden kann.
Dies gilt es dann positiv zu formulieren (dafür steht das A von „attraktiv“), denn so funktioniert nun einmal unser Gehirn. Um einen Sog zu erzeugen und unsere Energien zu mobilisieren, will unser Gehirn wissen, worauf es seine Aufmerksamkeit richten soll. Also hin zu etwas Neuem statt weg von etwas nicht Funktionierendem.
Das neue zusätzliche A steht für „agil“: Geschäftsführung und Führungskräfte sind dafür da, die Zusammenarbeit zu organisieren, zu entwickeln und immer wieder Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen ständige neue Herausforderungen und sich verändernde Anforderungen zu bedienen. Das gilt auch für die Zielsetzung. Bleiben Sie im Gespräch mit Ihren Mitarbeitern, sorgen Sie dafür, dass diese sich selbst ambitionierte Ziele setzen können. So wie bei der agilen Methode Srum das Sprint Ziel für den entsprechenden Sprint definiert wird und zwar vom Team selbst.
Damit wird es vom Team und dem jeweiligen Mitarbeiter dann auch als „realistisch“ eingeschätzt (dafür steht das R, aber das wussten Sie bestimmt). Ein Killer für die Zielerreichung sind von oben gesetzte Ziele, die den Mitarbeitern so unrealistisch erscheinen, dass sie direkt in die innere Kündigung gehen. Wie oft höre ich von Vertriebsmannschaften: „Das letzte Ziel war ja schon unrealistisch. Wir haben wirklich alles mobilisiert und es tatsächlich nur noch durch einen enormen Kraftakt zu Lasten unserer Qualität hinbekommen. Jetzt noch mal 20% Zuwachs-wo soll das denn herkommen?“
Das neue zusätzliche R steht deshalb für „reverse“. Ziele sollten nicht in der Einbahnstrasse von oben heruntergebrochen werden, sondern sie wollen verhandelt sein. Jeder Mitarbeiter sollte sich selbst fragen, wie er in seinem Wirkungskreis am besten zum Unternehmenserfolg beziehungsweise zu übergeordneten Zielen beitragen kann – und seine Ideen mit seinem Vorgesetzen abstimmen. Damit das gelingen kann ist Transparenz notwendig.
Dafür steht das neue T (in Ergänzung zur Terminierung). So sind z.B. bei Google die Ziele öffentlich einsehbar, damit jeder Mitarbeiter potenziell jederzeit über die Ziele der Kollegen im Bilde ist. Wie oft passiert es im betrieblichen Kontext, dass man eine Projektidee präsentieren will, aber von wichtigen Stakeholdern keinen Zuspruch erhält. Wenn jeder weiß, woran die Kollegen arbeiten, welche Schwierigkeiten ihnen dabei gerade begegnen und wie die eigene Arbeit zu den Unternehmenszielen beiträgt, dann kann dies ganz enorm die Werte wie Sinn, Sicherheit und Zugehörigkeit stärken. Und sind es nicht genau diese Werte, die gestärkt werden müssen, um den Herausforderungen zu begegnen, die die Digitalisierung oftmals so bedrohlich erscheinen lassen?