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Dirk Müller

10. August 2018

Dirk Müller alias „Mr. Dax“ im Interview

Speakers Excellence: Herr Müller, man nennt Sie auch „Mr. Dax“. Sie gelten als der Dolmetscher zwischen der Finanzwelt und den Menschen außerhalb der Börse. Wie schätzen Sie die aktuelle Marktlage speziell in Deutschland und der Welt im Allgemeinen ein?

Dirk Müller: Ich sehe derzeit keine Blasenbildung, wie wir sie beispielsweise um das Jahr 2000 hatten. In der Tat sind auch heute einige Unternehmen mit zu viel Hoffnung bewertet, wie beispielsweise Tesla, das höher bewertet ist als der größte US-Autokonzern General Motors, dabei im Vergleich aber gerade mal 0,8% der Autos abgesetzt hat. GM macht 9,4 Mrd. Gewinn, Tesla mehrere hundert Millionen Verlust. Hier ist zu viel Hoffnung im Spiel.

Es wird bei der Beurteilung einer Überbewertung von den Medien meist nur auf das sogenannte KGV geschaut. Das ist der aktuelle Kurs im Verhältnis zum aktuellen Gewinn des Unternehmens. Diese Zahl alleine ist aber völlig wertlos. Man muss auch das Wachstum des Unternehmens berücksichtigen. Eine Firma mit einem KGV von 20, jedoch ohne Wachstum, wird auch in 5 Jahren noch ein KGV von 20 haben und ist somit teuer. Ein Unternehmen mit der gleichen Bewertung, aber mit 25 Prozent jährlichem Wachstum, wird in 5 Jahren ein KGV von 6,5 haben, was sehr günstig ist.

Zudem muss man die Renditeerwartungen an Aktien im Vergleich zu den Alternativen sehen. In Zeiten hoher Zinsen will man auch von Aktien hohe Erträge sehen und ist daher bereit, nur geringere Bewertungen zu bezahlen. In Zeiten von Nullzins ist auch eine höhere Aktienbewertung akzeptiert, da beispielsweise die Dividende eine gute Rendite bringt. Bei Roche sind das derzeit zum Beispiel 3,4%.
Es ist gar kein Hexenwerk, gute von schlechten Aktien zu unterscheiden. Man muss nur ein paar Grundregeln beachten, die jeder einfach nachvollziehen kann. Das kann man jedem Anleger in einer halben Stunde erklären.

Speakers Excellence: Was erwartet uns in den nächsten Wochen und Monaten an der Börse?

Dirk Müller: DAS ist die 1-Million-Dollar Frage! Das kann Ihnen niemand mit Sicherheit sagen. Die Börse ist derzeit so spannend wie seit Jahrzehnten nicht. Chancen und Risiken sind derzeit gleichermaßen enorm.

Das billige Geld der Notenbanken sorgt derzeit für eine weltweit auskömmliche Konjunktur, die auch die Unternehmensgewinne auf breiter Basis ansteigen lässt. Solange diese Stimulation durch die Notenbanken erhalten bleibt und keine negativen Überraschungen geschehen, können die Märkte weiter ansteigen und immer neue Höchststände erreichen. ABER !! : Die Notenbanken sind derzeit wie Jongleure im Zirkus, die zahllose Teller auf Stangen in der Luft halten. Jederzeit kann es zur Katastrophe kommen. Die möglichen Auslöser dafür sind vielfältig. Politische Entwicklungen in den USA (Trump), militärische  Entwicklungen (Nordkorea-USA, Iran-Saudi Arabien, Nato-Russland) oder auch Notenbankentscheidungen (zum Beispiel eine Zinsanhebung) können jederzeit zum Einsturz führen. Der kann morgen eintreten, oder noch 10 Jahre in der Zukunft liegen. Das kann niemand mit Gewissheit sagen. Und hier liegt genau das Geheimnis: Mit cleveren Strategien und enger Beobachtung des Geschehens von diesen enormen Chancen, die jeder Markt bietet, zu profitieren und zugleich die Risiken zu minimieren.

Speakers Excellence: Gibt es derzeit eine Entwicklung im Weltgeschehen, welche Ihnen besonders Sorgen bereitet?

Dirk Müller: Die USA sind die bislang unangefochtene Führungsnation der Welt. Ausgerechnet dieser Hegemon hat derzeit eine kaum einschätzbare Regierung, deren Entscheidungen die Welt in diese oder jene Richtung führen kann. Diese Unberechenbarkeit kommt in eine Phase größter internationaler Unsicherheiten.
Das beginnt mit Europa, das derzeit mit verschiedenen Themen um seine Zukunft ringt. Eine in vielen Bereichen verfehlte Finanz- und Wirtschaftspolitik führt zu immer größeren Ungleichgewichten innerhalb Europas. Darauf finden wir bislang keine Antworten und das treibt dieses so wichtige Friedensprojekt Europa immer weiter auseinander. Aber hier sind positive Veränderungen in Sicht.

Der islamische Terror verschärft zunehmend die Sicherheitslage auch in Europa. Der brennende Nahe Osten ist inzwischen zu einem dauerhaften Krisenherd geworden, der zahlreiche Gefahren für die internationale Sicherheit mit sich bringt. Besonders die Konfrontation Russlands mit der Nato ist hier ein Brennpunkt. Im Persischen Golf zeichnet sich bereit jetzt ein größerer Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran ab, der große Auswirkungen auf die Ölpreise mit sich bringen kann. Das ist allerdings ein Thema, das vermutlich noch zwei bis drei Jahre in der Zukunft liegt.

Das größte Risiko sehe ich in China, auch zahlreiche Experten erkennen hier die größte Blase der Wirtschaftsgeschichte. Die extreme Verschuldung der Konzerne, Misswirtschaft und Fehlinvestitionen haben hier unvorstellbare Schieflagen geschaffen. So lange es der Zentralregierung gelingt, den Boom am laufen zu halten, lässt sich so eine Blase mit ihren Fehlentwicklungen weiter ausdehnen. Das kann – wenn wir Glück haben – noch zehn Jahre gutgehen. Wann immer dieser Boom jedoch endet, was sehr stark von ausländischem Kapitalzustrom abhängt, werden die Auswirkungen aufgrund der globalen Vernetzung weltweit sehr stark sein. Bis dahin lässt sich hier sehr viel Geld verdienen und wenn es soweit ist, lässt sich während der dann entstehenden Turbulenzen erst recht ein Vermögen  machen, wenn man sich richtig positioniert.

Speakers Excellence: Betrachtet man den Aktienmarkt, sehen Sie dort Branchen, von denen Sie derzeit tunlichst abraten würden?

Dirk Müller: Ich hatte eingangs bereits Tesla erwähnt. Man sollte sich grundsätzlich auf Unternehmen konzentrieren, die seit vielen Jahren durch anhaltende Gewinne ihre Fähigkeiten und ihre Stärke bewiesen haben, aber zugleich noch Wachstumspotential innehaben. Apple ist hier ebenfalls ein Beispiel, wie auch die amerikanische Tyler Technologies. Ich lasse derzeit die Finger von zu großen Hoffnungswerten ohne Gewinn (Tesla), aber auch von den mit unkalkulierbaren Risiken behafteten Banken. Insgesamt ist die deutsche Automobilbranche derzeit stark gefährdet. Durch die Technologierevolution ist ihr 100 Jahre altes Geschäftsmodell gefährdet. Genau in diese Phase der Schwäche, wo die Unternehmen alle Kraft für die Neuausrichtung bräuchten, werden sie durch konzertierte Angriffe wie Abgas- und Kartelluntersuchungen gelähmt. Die seit Jahrzehnten unterlegenen ausländischen Konkurrenten der deutschen Autobauer reiben sich die Hände und es bleibt völlig offen wie die Entwicklung weitergeht.

Speakers Excellence: Welche Märkte würden Sie als dauerhaft stabil betrachten?

Dirk Müller: Es gibt aktuell keinen Markt der ungefährlich wäre. Wir tanzen auf dem Vulkan. Der kann noch viele Jahre ruhig vor sich hin grummeln oder jederzeit ausbrechen. Es gilt, möglichst lange dabei zu bleiben und die Party zu genießen, aber rechtzeitig das Weite zu suchen, sobald sich die Seismographen ausschlagen. Das ist mein Job und Antrieb: Den Menschen diese Signale zu erläutern, so dass sie die Situation, die sich aus dem täglichen Nachrichtenstrom ergibt, selbst besser einschätzen können.

 

 

 

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