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Sabine-Hübner

Sabine Hübner

3. Juli 2018

ENTFREMDET UNS DIE DIGITALISIERUNG VON UNS SELBST?

Gerade komme ich vom SPA International Kongress in Freiburg und sitze im Ruheabteil des ICE. Die Dame mir gegenüber trägt schicke Stöpsel in den Ohren, schaut einen Film auf ihrem Tablet an, daddelt parallel auf ihrem sagenhaft großen Smartphone und auf ihrer Smartwatch. „MEINE DAMEN UND HERREN!“, schreit es plötzlich aus dem Smartphone. Ich fahre erschreckt zusammen. „ES MUSS IHNEN DOCH KLAR SEIN….“ Eine Bundestagsdebatte? Jetzt? Hier? So laut? Ich bin kurz vor Schnappatmung. Seelenruhig tappst die Reisende weiter auf ihren 2,5 Bildschirmen. In Kombination mit Noise-Control-In-Ears wirkt die Digitalisierung bei ihr offensichtlich ärger als das dickste Brett vorm Kopf. Sie checkt gar nichts. Niente.

„Die Digitalisierung entfremdet uns von uns selbst“, hörte ich gestern Abend bei der SPA Award-Verleihung einen Laudator sagen. „Und dann kommen die Menschen in unsere SPAs, um sich wiederzufinden.“ Ich versuche, über diesen Satz nachzudenken, doch es gelingt mir nicht.

„Was war noch meine Mission?“

Permanentes WhatsApp-Signalpiepen rechts neben mir. Hinter mir hört ein junger Mann so laut Musik, dass ich sie mithören muss. Ein paar Meter weiter steht ein italienischer Mitreisender höflich vor der Tür, um beim Telefonieren niemanden zu stören. Eigentlich gut gemeint, doch spricht er so laut, dass er auch hätte sitzen bleiben können, hier direkt neben mir, als lebendiges Signalpiep-Gegenmittel.

Menschen rotieren wie wahnsinnig in der digitalen Welt – und dann gehen sie ins SPA und suchen ihre Mitte? Ist das nicht verrückt!? Es ist verrückt. Vielleicht ist das aber auch nur die halbe Wahrheit.

Viele von uns ringen um Erfolg, um Aufmerksamkeit, um Anerkennung – das war wohl schon immer so. Was neu ist, das ist unsere Jagd nach Klicks und Likes in Social Media. Damit hat die Digitalisierung unseren Zeithorizont auf ein permanentes „Jetzt!“, „Hier!“, „Sofort!“ verkürzt.

Das ist der Grund, warum uns lange gehegte Ziele und Wünsche, aber auch lange gepflegte Freundschaften mehr und mehr aus dem Blick geraten und wir dann eines Tages vor dem Spiegel stehen und uns fragen: „Was war noch gleich meine Mission? Hab’s leider vergessen!“

Ist das Smartphone aus, kommt die Sehnsucht

Wir leben in einer Zeit, die es uns leicht macht, den Kontakt zu vertrauten Menschen und zu tief liegenden Bedürfnissen zu verlieren. Schuld daran ist nicht „die Digitalisierung“ per se. Schuld ist unsere Verführbarkeit, unsere Lust an schnellen Kicks und Klicks. Unsere enorme Verführbarkeit und die Sogwirkung von Social Media passen ziemlich gut zusammen.

Die anstrengende Arbeit an uns selbst hat für uns nur wenig Dringlichkeit – es merkt ja nicht einmal jemand, wenn wir sie liegenlassen. Also zerstreuen wir uns mit Chichi und vergessen das Wesentliche. Uns selbst. Wer sind wir denn überhaupt, wenn wir das Smartphone ausschalten? Und halten wir die lange ignorierten Sehnsüchte aus, die sich dann zurückmelden?

Wirklich wir selbst sind wir nur mit anderen

Ich bin gerade auf dem Weg nach Gozo. Dort werde ich eine Freundin besuchen, die ich schon viel zu lange nicht gesehen habe. Wir werden wieder stundenlang reden. Wir werden am Meer sitzen und aufs Wasser schauen. Wir werden Wolken beobachten. Nur wir.

Denn wirklich wir selbst sind wir zusammen mit anderen. Wie sehen Sie das?

Sabine Hübner

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