Ist mein Unternehmen agil, wenn die Mitarbeiter Turnschuhe tragen?
„Fuck-up Nights“, das Ding mit dem „Du“, und dann noch der Turnschuh – aber bitte nicht als Order von oben
Ein klares und absolut eineindeutiges Jein zur bildlichen „Turnschuh“ – Frage:
Ja, natürlich brauchen wir andere Denk- und Verhaltensweisen (und Bekleidungsstile), um agiler agieren zu können.
Denn wenn wir immer nur das Gleiche tun und denken (und anziehen), können wir nicht andere Ergebnisse erwarten, das sagte schon vor langer Zeit ein schlauer Mensch namens Albert Einstein.
„Fuck-up Nights“ (kurz: FUN) – oder eine neue offene Fehlerkultur & -kommunikation
Neulich auf dem Jahrestreffen des Human Capital Clubs berichtete die Führungskraft eines Luftfahrtunternehmens, wie nicht nur ein VIP-Gast tatsächlich in den falschen Flieger geleitet wurde (und dies leider auch erst in der Luft bemerkte), sondern auch die Mitarbeiterin auf Anfrage der Führungskraft diese Geschichte den Kollegen im Wochenmeeting berichtete, damit alle aus diesem Fuck-up / Fehler lernen konnten.
Auch ein großer Juwelierhersteller in Österreich setzte einen internen Workshop um, in welchem mehrere Personen aus unterschiedlichen Hierarchiestufen vor großem Publikum ganz unverblümt über Ihre persönlichen Fehler und Learnings berichteten – mit sehr positiver Resonanz.
Nicht nur anonyme bzw. Start-up „Fuck-up“ Geschichten werden in ca. 200 Städten weltweit an interessanten Abenden erzählt, mehr und mehr Unternehmen setzen diese offene Fehlerkultur in Ihren Meetings als fixen Agendapunkt ein.
Du oder Sie – das ist hier die Frage?!
Daimler tut es, Lidl tut es, Otto tut es, und viele andere Unternehmen tun es ebenfalls: der Abschied vom „Sie“ hin zum „Du“ schreitet unaufhaltsam weiter: Die Jobbörse Stepstone und die Managementberatung Kienbaum haben 17.000 Fachkräfte in Deutschland befragt mit dem Ergebnis: Jeder Dritte duzt mittlerweile sowohl seine Kollegen als auch den Chef (Betriebe < 50 Mitarbeitern sogar die Hälfte). Nur drei Prozent der Befragten gaben an, dass sich an ihrem Arbeitsplatz alle Mitarbeiter siezen.
Das distanzverringernde und beziehungsförderliche „Du“ hat nicht mehr so viel mit fehlendem Respekt zu tun (den verdient man sich anders), es muss dabei zu einzelnen Personen, Machtgefälle und Unternehmenskultur passen.
Turnschuhe und die neue Kleiderordnung
Virgin-Gründer Richard Branson liebt seine Trophäen: nicht nur Auszeichnungen und Weltrekorde erfreuen ihn, sondern auch die (nicht nur an Fasching) abgeschnittenen Krawatten von teilweise hochrangigen Firmenchefs und Politikern.
Aldi Nord beendet den Krawattenzwang und nachdem Daimler-Chef Dieter Zetsche den Binder während einer Jahrespressekonferenz wegließ, verzichteten auch zunehmend die Mitarbeiter auf das modische Accessoire.
Ebenso sieht man mehr und mehr Turnschuhe auf offiziellen Events, auch wenn vor 2 Wochen auf einer Großveranstaltung nur mein Nachbar ebenfalls Turnschuhe trug.
Ebenso wie beim „Du“ ist es wichtig, dass der Kleidungsstil zu den einzelnen Individuen und auch zur Arbeit passen, nicht jeder sollte ab sofort wie bei den Lemmingen im Silicon Valley Stil Turnschuhe anziehen und die Krawatte weglassen.
Befehlen: nein – anbieten und vorleben: ja!
Wie Otto-Vorstand Hans-Otto Schrader (Spitznamen Hos) betont, darf das „Du“ nicht allen 53.000 Mitarbeitern aufgezwungen, sondern nur angeboten werden: „Wer die Vorstände duzen will, der kann das tun“ …
Vorschreibungs-pflichtig sollte nichts sein und oft erzählen mir Workshopteilnehmer und Coachees, dass der Fisch bekanntlich vom Kopf „duften“ würde.
Auch die Führungskraft des Luftfahrtunternehmens konnte ihre Mitarbeiterin nur zu neuen Handeln bewegen, weil sie selbst als Vorbild vorangegangen war und eigene Fehler vor der kompletten Runde eingestanden hatte.
Schauen Sie sich in Ihrem Unternehmen und in den einzelnen Abteilungen um: wie steht es bei Führungskräften und Mitarbeitern mit der Fehlerkultur, dem „Du“ und der Kleiderordnung?
Zum Abschluss noch mein Nein zur Turnschuh – Frage: es reicht nicht, wenn die Mitarbeiter die Turnschuhe anziehen, das „Du“ adaptieren und offen über Fehler reden – also neue, agile Denk- und Verhaltensweisen annehmen; die (oberen) Führungskräfte müssen mit Vorbild voranschreiten!
PS: „Agil“ bedeutet nicht adhoc oder gar keine Entscheidungen zu treffen um flexibel zu bleiben bzw. täglich komplett von rechts nach links zu schwenken!
Weitere Informationen zum Thema Fehlerkultur und Arndt Schmidtmayer finden Sie hier: https://www.trainers-excellence.de/redner/arndt-schmidtmayer.html