Zu schmutzig, nicht mehr zeitgemäß, dem Tode geweiht: Um die deutschen Autohersteller scheint es derzeit nicht gut bestellt – wenn man der Presse glauben schenkt. Doch das Gegenteil ist der Fall.
„Man kann es nicht oft genug sagen: Man soll sich nicht immer wiederholen!“ Was unter Linguistikern zum geflügelten Wortschatz gehört, ist in der deutschen Presse anscheinend so noch nicht angekommen. Die Automobilindustrie ist in Verruf geraten – als Ganzes und zu Recht – ob ihrer Arroganz und Uneinsichtigkeit. Aber auch zu Unrecht, weil es „die“ Automobilindustrie in Deutschland so nicht gibt. Es gibt stattdessen fünf deutsche Unternehmen sowie ein amerikanisches und neuerdings ein französisches. Sie legen rund um das Thema Diesel technisch und ethisch völlig unterschiedliche Verhaltensweisen an den Tag. Sie medial alle über einen Kamm zu scheren, ist deshalb falsch.
Fakt ist: Eine negative Berichterstattung in den Medien über die Automobilindustrie und ihre triste Zukunft ob des unehrenhaften Verhaltens einzelner Mitglieder wegen oder ob des vermuteten baldigen Tods des Verbrennungsmotors, ihrer Schlagader, ist derzeit trendy. Einer wirft mit reißerischer Titelstory den Stein ins Wasser, der Rest der Presse-Meute sorgt für die notwendigen Wellen. Und es gab viele Wellen …
Auch Tesla „verbrennt“
Ach, was musste man da Schlimmes in den letzten Wochen über geheime Kartell-Absprachen und Abgas-Schurkereien der automobilen „Fünferbande“ Audi, BMW, Daimler, Porsche und Volkswagen lesen. Alles nur, um ihre Diesel-Kunden vorsätzlich, heimtückisch und vor allem gesetzeswidrig zu täuschen. Hinzu kamen die Vorwürfe über Schlafmützigkeit und Unfähigkeit, den von Elon Musk mit seiner IT-Automarke Tesla verursachten Hype um das Elektroauto als Ablösung des Verbrenners nicht rechtzeitig erkannt zu haben.
Stattdessen haben sie sich stur geweigert, ihr seit hundert Jahren bewährtes, auf dem motorischen Verbrennen von Treibstoff beruhenden Geschäftsmodell gegen jenes von Musk zu ersetzen. Eben jenes Musk-Modell, welches auf der Basis eines batteriebetriebenen, elektrischen Verlustgenerators ebenfalls mit Verbrennung zu tun hat: in diesem Fall in Summe von Milliarden Dollar an Aktionärsgeldern.
Die ultimative Drohung: Fahrverbot
Eine neue Sau war geboren und wurde durchs automobile Dorf getrieben: die hohe, jeden Grenzwert weit überschreitende Luftverschmutzung in den Innenstädten durch den hohen Stickoxid-Ausstoß von Dieselfahrzeugen. Ganz nebenbei der ganze Stolz der deutschen Autohersteller. Und das daran aufgehängte Damoklesschwert eines drohenden generellen Fahrverbots für Dieselautos.
Als Hauptschuldiger an der innerstädtischen Luftmisere wurden die Dieselabgase, hier vor allem der Stickoxidausstoß (NOx) ausgemacht. Originalton deutsche Presse: “ … jährlich werden 10.000 Menschen vergast …“. Geschmackloser geht’s nicht mehr! Als einzige wirksame Abhilfe kündigte das Stuttgarter Gericht in ersten Urteilen rigorose Fahr- und Zugangsverbote für Dieselfahrzeuge an, wenn bis Jahresende 2017 keine Besserung der Luftqualität mit Einhaltung der gesetzlichen Emissionsgrenzwerte eintreten wird. So wie es die Stadtverwaltung in Paris bereits zuvor mit Zugangsverboten für ältere Dieselautos bis Jahrgang 2001 ab 2020 vorgemacht hat.
Auf dem nachfolgenden Berliner Diesel-Umweltgipfel wurden auf Betreiben der Autohersteller zwar „weiche“ Maßnahmen wie Kaufprämien beim Alt-Diesel-Tausch und Software-Updates für 5,2 Millionen Euro-5- und Euro-6-Dieselautos beschlossen, Nachbesserungen der Hardware durch nachträglichen Katalysatoreinbau aber abgelehnt. Nach Meinung der Presse waren die Beschlüsse eine Farce. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist überzeugt: „Fahrverbote werden mit den bisherigen Zusagen von Industrie und Politik auf jeden Fall kommen – denn die Luft in den Städten wird kaum besser werden.“ Dem ist nach unabhängiger Expertenmeinung mit Sicherheit so!
Die Folgen waren absehbar: Von allen Seiten wurde dem Dieselmotor noch heftiger das Sterbeglöckchen geläutet. Die verunsicherten Verbraucher gingen auf Distanz zum Dieselauto, wie einst Herr Piëch zu Herrn Winterkorn. Der Dieselmarktanteil stürzte binnen weniger Monate von 50 Prozent auf 40 Prozent ab. Damit drohte dem Dieselmotor der Garaus.
“ … denn sie wissen nicht, was sie tun“
Aber nicht nur dem, sondern dem Verbrennungsmotor schlechthin. Denn justament im Sommer 2017 beschloss dann auch noch das britische Parlament ein generelles Verbot von jedweden Verbrennungsmotoren im Vereinigten Königreich ab 2040. Norwegen folgte mit gleichem Zulassungsverbot für Verbrenner- Neuwagen ab 2025. Indien ab 2030. Was bibelfesten und hochqualifizierten Automobilingenieuren an die letzten Worte des Herrn erinnert haben mag: „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht was tun!“
Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel bekundete im August, dass der Ausstieg aus dem Verbrenner grundsätzlich richtig sei. Allerdings legte sie sich klugerweise nicht auf einen Zeitpunkt fest: „Ich kann jetzt noch keine präzise Jahreszahl nennen, aber der Ansatz ist richtig.“ Desweiteren führte sie aus:.“ … wenn wir schnell in noch mehr Ladeinfrastruktur und Technik für E-Autos investieren, wird ein genereller Umstieg strukturell möglich sein!“
Das war am 3. Mai 2010 bei der Gründung der Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) als Beratungsgremium der Bundesregierung zur Förderung der Elektro-Mobilität noch anders. Damals wurde als Zielsetzung der Bundesregierung 1 Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen im Jahre 2020 vorgegeben.
Die nackten Zahlen
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Laut Kraftfahrzeug-Bundesamt (KBA) gab es am 1. Januar 2017 in Deutschland 45.803.560 Pkw. Der Anteil der Benziner lag bei 65,5 Prozent, der Anteil der Dieselautos bei 32,9 Prozent und der Anteil alternative Antriebsarten in Summe bei 1,6 Prozent. Lediglich 22.609 Fahrzeuge besaßen einen reinen Elektroantrieb. Der Hybridauto-Bestand (inklusive Plug-Ins) betrug 165.405 Fahrzeuge. So können sich Politik und Branchen-Experten irren…
Soweit in grober Skizze die Gründe für die pauschale Verurteilung einer Paradebranche – ob des unethischen und gesetzwidrigen Fehlverhaltens einzelner Mitglieder und ob ihrer erwiesenen Arroganz. „Ein Fehlverhalten des Managements vermag ich nicht zu erkennen!“, sagte etwa VW-Chef Matthias Müller auf dem Berliner Diesel-Gipfel.
Sollte das alles so kommen, wie von den Medien an- und beklagt wird, würde es den Untergang der deutschen Automobilindustrie und auch der internationalen Stärke der deutschen Wirtschaft bedeuten. Laut einer Ifo-Studie hängen allein in der Branche selber 600.000 Arbeitsplätze, also vier Fünftel, am Verbrenner-Motor. Wir wären, auf einen einfachen Nenner gebracht, dann zwar abgasmäßig gesund, aber eben vor allem ohne Arbeit. Höchste Zeit also, den Berg an öffentlichen und medialen Fehlinformationen, Unwahrheiten, ideologischen Vorurteilen und „alternativen Fakten“ abzutragen. Die Absicht ist, unvoreingenommen einen ökonomisch-rationalen Blick auf die Zukunft von mobiler Antriebstechnologie und Branche zu richten. Es geht dem Autor um Fakten, nicht um Wunschvorstellungen und Augenwischerei. Das soll in fünf Thesen geleistet werden. Eine jetzt sofort, die anderen vier in einem weiteren Text am Montag in einer Woche.
These 1: „Die Zeit des Diesels geht zu Ende“Nein! Der Diesel ist – anders als es Ferdinand Dudenhöffer sagt – nicht dem Tod geweiht. Er lebt und wird sogar eine Renaissance erleben. Denn er ist dem Benziner in allen technischen und ökologischen Belangen haushoch überlegen – außer bei den Herstellungskosten. Zum einen ist der CO2-Ausstoß 30 Prozent geringer als beim Benzinmotor.
Zum anderen erreichen die Diesel der neuesten Generation dank des technischen Fortschritts in der so genannten SCR-Katalysatortechnik (AdBlue, Harnstoff) auch ohne Thermofenster einen noch geringeren Stickoxid- und Rußpartikel-Ausstoß als gesetzlich mit Euro-6d vorgeschrieben. Bei Daimler wurde dieser Motor mit Milliardenaufwand unter der Kennzeichnung OM 654 entwickelt und heute verbaut. Andere Hersteller ziehen nach – der Wettbewerb macht´s möglich!
Fazit: Winfried Kretschmann hat Recht: „Es gibt den sauberen Diesel!“ Das innerstädtische Abgasproblem sind nicht die neuen Dieselautos mit moderner Abgasreinigung, sondern die „Altlasten“ in Form eines Altbestands von 15 Millionen Dieselfahrzeugen. Will man die innerstädtische Abgassituation im Sinne der Gerichte bereits bis Anfang 2018 entscheidend verbessern, kommt man um selektive Fahrverbote nicht herum. Sie sind in meinen Augen „ohne Alternative“. Software-Lösungen an der Abgas-Elektronik allein reichen nicht aus.
[Artikel erschienen bei n-tv.de]