Jedes Fachgebiet hat seine Schlagworte – auch unsere Hospitality-Branche.
“Service Excellence” ist eines dieser Schlagworte, und ich bin froh darüber, dass es häufig zitiert wird. Eine lebhafte Debattenkultur darüber, wie Service funktioniert und was ihn exzellent macht, ist schließlich die Grundlage dafür, dass wir uns alle auf diesem Spielfeld weiterentwickeln.
DIE EINE HÄLFTE DER WAHRHEIT
Weniger erfreulich ist, wenn Modelle aus dem Zusammenhang gerissen werden, um ein Mee-too Schlagwort zu bedienen. Mehr Freiheit im Sinne von Entscheidungs- und Handlungsfreiheit ist eine notwendige Bedingung für Service Excellence. Doch die individuelle Ebene, also die Mensch-Ebene, ist nur eine der beiden Hälften der Wahrheit. Zweifellos gilt es sie zu stärken. Kontrollwahn gibt es schon genug, dafür sorgen die Corporate Monkeys. Doch genau wegen ihnen können wir Freiheit eben nicht allein damit erzielen, dass wir das Handbuch wegwerfen.
Freiheit braucht einen Rahmen, denn auch und gerade freie Menschen bewegen sich besser in einem funktionierenden System. Die institutionelle Ebene ist deshalb die andere Hälfte der Wahrheit beim Empowerment der Mitarbeiter. Und hier geht es nicht ohne Strukturen, Teamrollen und Prozesse. Service Excellence ist eine Haltung, die sich von Freiheit nährt. Doch auch die effektivste Strategie greift ins Leere, wenn sie nicht fachgerecht operationalisiert wird. Und deshalb verlangt Freiheit auch nach Originalität auf der institutionellen Ebene.
ME-TOO IN DER DIGITALISIERUNG?
Wo die Risiken nicht zu Ende gedachter Mee-too-Reformen liegen, zeigt der Vergleich mit einem anderen großen Me-too-Thema: Digitalisierung. Uns allen ist klar, dass wir Lösungen brauchen, um den digitalen Kunden zu erreichen und unsere Geschäftsmodelle ins Digitale hinein zu erweitern, wenn nicht sogar: neu zu erfinden. Dieses Thema und diese Herausforderung haben wir gemeinsam. Doch wenn alle Hotels, die großen wie die Kleinen, die Luxus-Ketten wie die Boutique-Hotels, mit genau der gleichen Idee auf diese Herausforderung reagieren – was hat dann der Kunde davon? Ihm bliebe vorenthalten, was die große Chance der Digitalisierung ausmacht: individuelle Marken mit individuellem Service für individuelle Kundenbedürfnisse, so wie es uns etwa die Oetker-Gruppe vormacht. Auf diese Weise hätte jeder, der auf den Zug aufspringt, ein Ticket ins Mittelmaß gebucht. Das ist nicht Führung, das ist Gefolgschaft. Denn am Ende würde Service Excellence überall das gleiche bedeuten. Was auch immer Ihr Kunde will: Das will er nicht.
SERVICE EXCELLENCE IST EINE HALTUNG!
Leider ist das Me-too gerade im Service – wie auch in einigen Hospitality-Beratern und Vortragsrednern – ein probates Mittel, um Qualität zu suggerieren, wo keine eigenen Ideen sind. Weiterentwickeln kann eine Branche – zumal eine der ältesten der Welt – sich jedoch nur, wenn sie bunt bleibt. Ein Hotel, das nach Erneuerung strebt, muss sich dabei nicht am nächsten Hotel orientieren – sondern lieber am Kunden. Und Strategien wie neue Handlungsfreiheiten für die Mitarbeiter funktionieren nur, wenn sie zu Ende gedacht sind. Einfach nur das Handbuch wegwerfen ist noch kein Erfolgsrezept. Service Excellence ist eine Haltung. Me-too ist keine!