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Stephan Jung

2. Oktober 2017

Vergessen im Kanzlerduell: Mensch. Zukunft. Innovation.

„Guten Tag Frau Digitalministerin…“

… oder natürlich auch „Herr Digitalminister“ wird es hoffentlich nach den Wahlen am 24. September 2017 in Berlin heißen. Leider steht Deutschland, was den Digitalisierungsfortschritt angeht, auf einem völlig ungenügenden 20. Platz innerhalb der EU. Das neue Ministerium muss Deutschland schnellstens nach vorne bringen. Mit einer Erfüllungsquote von gerade einmal 46,2 % liegt Deutschland deutlich unter dem Schnitt aller 28 EU Staaten (54,9%) wie der jüngste unabhängige Bericht des Normenkontrollrats aufzeigt. Mit über 80 % führen die Digitalisierungssieger Estland und Finnland das Ranking an, unser Nachbar Österreich erreicht hervorragende 70 %.

Digitalisierung – was ist das eigentlich?

Ich habe meine Bedenken, ob überhaupt Einigkeit herrscht, was „Digitalisierung“ bedeutet. Für den einen ist es schnelles Glasfaserkabel und flächendeckendes Internet, für den anderen ist es die Transformation vom Prozessketten hin zu einer vernetzten Unternehmensstruktur. Für wieder andere soll der mitdenkende Mitarbeiter bitte Innovationsvorschläge machen. Und wieder jemand anderes hat das Zauberwort „Customer Centricity“ gehört und plant die völlige Ausrichtung des Unternehmens auf den Kunden. Die ganz Fortschrittlichen sprechen dann noch von „AI“, der Artificial Intelligence, vor der Physiker Stephen Hawking warnt, dass sie den Menschen zerstören wird.

5 vor 12

So oder so kommt der Normenkontrollrat zu dem wenig schmeichelhaften Fazit, dass es „5 vor 12 ist oder später…“ Während sich aktuell noch fünf Ministerien mit den üblichen Kompetenzfragen um das Thema Digitalisierung in Deutschland zu kümmern versuchen, wünsche ich mir von der neuen Bundesregierung ein deutliches Bekenntnis zu diesem Thema inklusive klarer Zuständigkeiten und Budgets. Ein Next-Generation-Board müsste Bedenkenträger und Zauderer aufwecken und das Silodenken in Abteilungen, Fraktionen und Clubs auflösen. Keine Angst vor Nerds, wir brauchen hier Vielfalt und Individualität. Dass dies in den nächsten Jahren lebenswichtig ist, zeigen die zunehmenden Hackerangriffe, die unsere Welt bedrohen.

Ist da jemand für zuständig?

In der Zwischenzeit bietet sich der Blick in die Unternehmen an. Hier sagen 84 % der TOP Führungskräfte in einer McKinsey Studie, dass Innovation absolut erfolgsentscheidend ist. Dem gegenüber stehen dann aber nur 6 % von Führungskräften, die mit der Innovationsleistung ihres Unternehmens zufrieden sind. Welch ein riesiges Delta! Wer ist denn eigentlich für Innovation verantwortlich? Die drei häufigsten Antworten sind allesamt dramatisch: 1.) „alle“ 2.) „der Chef“ und 3.) „das Marketing“. Wer sich so lieblos um das Thema Innovation kümmert, der darf keine Wunder erwarten. Ich bin überzeugt, dass eine auf Geschäftsleitungsebene befindliche Stabsstelle das Thema Innovation mit voller Kompetenzausstattung bearbeiten sollte.

Da fehlte was beim Kanzlerduell!

Millionen saßen vor den Fernsehern und hofften auf eine spannende Kanzlerrunde, naja es war eher nett… Ich habe die gesamte Zeit darauf gewartet, wann es endlich um Zukunft, Innovation, Start-Ups und Digitalisierung geht – ich wartete vergeblich und bin ebenso enttäuscht wie sauer. Ich möchte Deutschland endlich dort sehen, wo es hingehört: auf einem guten Rankingplatz im nächsten Europäischen Digitalisierungsbericht. Es ist keine Zeit mehr für vier weitere Jahre diskutieren, es ist Zeit für Macher, denn es ist 5 vor 12.

Stephan Jung ist Autor, Dozent, Innovationsexperte, CEO der InoventiQ Group Hamburg/Berlin. Er war jüngst zu Gesprächen von der Regierung der Ukraine eingeladen, um über Smart Cities und Innovation zu referieren. Zur Zeit befindet er sich in Los Angeles, wo er auf dem globalen Kongress H. E. R. Summit über Innovation und Social Responsibility spricht und ebenfalls mit Regierungsmitarbeitern der USA und anderer Staaten zusammen treffen wird.

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