Top 100 Unternehmer Thomas M. Stein gibt uns seine Erfahrungen weiter
1.Herr Stein, Sie sind Deutschlands wohl bekanntester Musikproduzent, viele kennen Sie noch als Jury-Mitglied von „DSDS“. Sie haben Sich vom Verlagslehrling zum Leiter eines der größten Medienkonzerne des Landes hochgearbeitet. Was muss man mitbringen, um so einen Weg wie Sie gehen zu können?
Eine der wichtigsten Aufgaben im Leben ist es, Chancen rechtzeitig zu erkennen, sie zu verstehen und mit Ihnen umzugehen. Das heißt, nicht immer das nächstbessere, höhere Gehalt darf ausschlaggebend dafür sein, eine Tätigkeit zu starten. Wichtig ist, dass man sich selbst immer wieder neu positioniert und für sich selbst eine langfristige Perspektive versucht zu erkennen. Das alles geht nicht ohne blood, sweat and tears. Und wie in jedem anderen Bereich sind die wesentlichen Faktoren Ausdauer, Konsequenz, Ehrlichkeit und natürlich gehört auch ein Quentchen Glück dazu, Ziele rechtzeitig zu erkennen, anzustreben und zu erreichen.
2. Man sagt ja „There’s no business like show business“. Denken Sie, Erfolgskonzepte aus der Musikindustrie lassen sich eins zu eins auf andere Teile der Wirtschaft anwenden?
Um eine Mär gleich von vorne herein zu den Akten zu legen: Musikgeschäft ist gleichermaßen ein Wirtschaftsbereich wie die Automobilindustrie oder eine Schraubenfabrik. Der wesentliche Unterschied ist, dass die letzten 20 – 30 %, die außerhalb der Managementaufgaben liegen, Produktorientiert sind – und da kann man in der Tat sagen „There’s no business like show business“. Wenn die Industrie etwas von der Musikindustrie lernen kann, dann in erster Linie Impulse und Marktbedürfnisse rechtzeitig zu erkennen und mit ihnen so umzugehen, dass der Konsument es annimmt, aufnimmt und letzten Endes auch kauft. Wenn die Industrie von der Musikindustrie etwas lernen kann, dann festzustellen, dass die neuen Technologien dramatische Umbrüche mit sich bringen können und wenn man nicht, wie oben angesprochen, am Puls der Zeit ist, wird man verlieren.
3. Sie haben Interpreten wie Falco, Peter Maffay und Alicia Keys erfolgreich gemacht. Glauben Sie, dass der Künstler an sich schwieriger zu führen ist als der Büroangestellte?
Da der Künstler in aller Regel der ist, der unterm Strich das Gehalt des Büroangestellten zahlt, ist es selbstverständlich, dass man mit seinen Individualitäten entsprechend umgehen muss. Sie betanken einen Diesel nicht mit Benzin und wundern sich später, dass er nicht mehr läuft. Die Bedürfnisse als Wirtschaftsträger der Künstler sind demzufolge ein wichtiger Faktor in einem Unternehmen. Das bedeutet nicht, dass Sie damit die Bedürfnisse des Büroangestellten nicht berücksichtigen müssen, im Gegenteil, es ist wichtig, dass alle Zahnräder dazu führen, dass ein Unternehmen reibungslos läuft.
4. Sie sind in Ihrer Karriere oft unbequeme und risikoreiche Wege gegangen. Heißt erfolgreich immer unkonventionell?
Nein, das heißt es nicht. Aber es ist wichtig, dass man auch unkonventionelle Wege mit in Betracht zieht. Nehmen Sie die heutige politische Landschaft. Letztendlich hat der konsequente Versuch der Gleichmachung dazu geführt, dass, wenn man 10 % unkonventionell ist, man plötzlich eine hohe Aufmerksamkeit erhält, und dies teilweise ohne Substanz. Im Bereich der Musik ist es allerdings teilweise notwendig, unkonventionell zu denken, um den Kunden zu überraschen und auf sich aufmerksam zu machen. Das heißt nicht, dass jedes beliebige Foto bereits zur Erreichung des Zieles gewählt werden kann, sondern auch der musikinteressierte Endverbraucher möchte unterm Strich durch die Qualität des Künstlers überzeugt werden.
5. Trends sind ein wichtiger Teil Ihrer Branche. Wie schafft man es, diese möglichst frühzeitig zu erkennen? Intuition, Erfahrung oder etwas von beidem?
Ja, natürlich etwas von beidem, der Rest der Fragen, denke ich, beantwortet Frage 5 automatisch.
6. Welche Mentalität sollte ein Unternehmen prägen, das langfristig innovativ und erfolgreich sein möchte? Nur kreativ und risikobereit oder aber auch bodenständig und vernünftig?
Es geht das eine nur mit dem anderen, nur habe ich in den letzten Jahren beobachtet, dass in Zyklen in Firmen konsequent auf Kreativität oder konsequent auf Administration Wert gelegt wird. Das heißt, in nahezu allen Branchen werden die Veränderungen nur unbewusst wahrgenommen, aber im Hintergrund steuert man damit die jeweilige Richtung des Unternehmens. In aller Regel passiert folgendes: ein Kreativer ist erfolgreich und ein Administrativer sagt, das kann man auch günstiger machen. Nachdem der Administrative die Aufgabe übernommen hat, stellt man schnell fest, es ist alles günstiger, aber nicht mehr erfolgreich, da die Impulse der Kreativität fehlen. Nun muss das Unternehmen sich in dem o.a. Zyklus jedes Mal neu positionieren und mit den Gegebenheiten auseinandersetzen. Je nach Größe des Unternehmens beginnt dann die Schwierigkeit, das möglicherweise träge Mutterschiff in die andere Richtung zu bewegen und auch dies bedeutet, dass man jedes Mal hohe wirtschaftliche Risiken tragen muss. Fazit: Kreativität und Risikobereitschaft sind keine Feinde der Bodenständigkeit oder der Vernunft, sondern können von einem sensiblen Aufsichtsgremium leicht gesteuert werden. Leider sind die Aufsichtsgremien häufig verbunden mit Banken und Investoren, deren Sensibilität in der Administration versinkt.
7. Wie schafft man es, bei aller Zielstrebigkeit und Willensstärke den menschlichen Aspekt nicht außen vor zu lassen?
Empathie ist ein individuelles Gut, das von jedem häufig anders empfunden wird. Es kann aber nicht dazu führen, dass man vor lauter Empathie die Zielstrebigkeit und die Willensstärke ihr unterordnet. Diese Balance zwischen beiden Dingen ist nicht zuletzt eine Frage der Erziehung und auch der Erfahrung.