Besuch in Ludwigshafen bei Jutta Rump. Seit 15 Jahren leitet sie dort das Institut für Beschäftigung und Employability und besetzt damit zentrale Themen der Arbeitswelt. Wirtschaft und Politik schätzen den Rat der umtriebigen HR-Forscherin. Ihr Lebensund Forschungsmotto: In Bewegung bleiben, ohne die Balance zu verlieren.
Personalwirtschaft: Heute ist nur die Chefin im Haus, oder täuscht der Eindruck? Jutta Rump: Gestern hätten Sie noch alle Kollegen im Büro angetroffen. Heute arbeitet jeder an einem anderen Ort, entweder zu Hause oder beim Kunden. Mobiles Arbeiten ist Bestandteil unserer Institutsphilosophie und die jungen Kollegen erwarten auch diese Flexibilität. Es funktioniert erstaunlich gut.
Sie praktizieren den Generationenmix. Das Thema Generation Y war in den vergangenen Jahren auch ein Forschungsfeld Ihres Instituts. Jetzt sind viele der Diskussion überdrüssig. Ich rate, die Diskussion auf die Grundlagen zurückzuführen. In der Generationenforschung analysieren wir unterschiedliche Sozialisationsmuster. So sind Babyboomer anders aufgewachsen als die sogenannte Generation Y. Die jungen Menschen wurden als Digital Natives in die digitale Welt hineingeboren. Ich bin dagegen als Babyboomer ein typischer Digital Immigrant, das heißt, ohne Internet, analog mit Telefon aufgewachsen und dann in die digitale Welt immigriert. Diesen Unterschied spüre ich im Alltag durchaus.
Der unterschiedliche Umgang mit Kommunikationsmitteln ist nur ein Punkt in der Generationendebatte. Strittiger sind Aussagen zur Work-Life-Balance und einer vermeintlich geringeren Leistungsorientierung. Haben sich die Wertvorstellungen verändert? Menschliche Basiswerte, wie beispielsweise das Grundbedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung, verändern sich nicht über Generationen. Aber je nach Sozialisation verändert sich das Anspruchsdenken. Die Babyboomer mussten in jungen Jahren um wenige Ausbildungs- und Arbeitsplätze mit vielen gleichaltrigen Bewerbern konkurrieren und haben sich vielfach den Gegebenheiten in den Betrieben angepasst. Die jüngere Generation hat vergleichsweise viele Optionen. Entsprechend hoch sind die Ansprüche, entsprechend fragil die Loyalität zum Arbeitgeber. Sie wollen auf Augenhöhe verhandeln, Arbeit soll Spaß machen, einen Sinn ergeben, Perspektiven eröffnen. Und Arbeit muss noch genügend Freiraum für Freizeit bieten. Aber es ist eine grobe Fehleinschätzung, dass die Generation Y nicht leistungsorientiert sei. Leistung gibt es allerdings nicht zum Nullkostentarif.
Hat sich die Gen-Y-Debatte rückblickend gelohnt?
Eindeutig ja. Diese Diskussion hat zentrale Anstöße in Richtung Arbeitgeberattraktivität und Employer Branding gegeben. Das veränderte Anspruchsdenken der jüngeren Generation hat dazu geführt, dass HR den Blick für wichtige Instrumente zur Gestaltung der Arbeit geschärft hat. Führung, Entwicklung, Flexibilität – die Debatte hat wie ein Energieschub für die Professionalisierung der HR-Arbeit gewirkt.
Der Kern Ihrer Arbeit am Institut ist das Thema Beschäftigungsfähigkeit. Die Kollegen des Personalmagazins hatten Sie 2007 bei der Wahl zu einer der führenden HRKöpfe treffend als „Mrs Employability“ bezeichnet. Mit welchem Verständnis ist dieses Institut gestartet? Die Geburt dieses Instituts war ein glücklicher Zufall. Ich bin 2002 Vizepräsidentin der Hochschule Ludwigshafen geworden und war zuständig für Forschung. Um in der forschenden Männerwelt ernst genommen zu werden, brauchte ich ein Projekt. Bereits 2001 hatte ich mich mit Thomas Sattelberger und Heinz Fischer in der Gründungsphase der Initiative Selbst GmbH intensiv über das Thema Employability ausgetauscht. Das Thema hatte mich begeistert, und ich stellte einen Forschungsantrag. Der wurde dann glücklicherweise genehmigt. Das heißt, ich hatte ein Konzept, Geld, gute Partner, aber keine Plattform, um das Konzept umzusetzen. Deshalb haben mein damaliger Präsidentenkollege und ich das Institut für Beschäftigung und Employability gegründet.
Konnte die Praxis etwas mit dem Begriff Employability anfangen?
In den Anfängen unserer Arbeit nicht, aber die Idee und das Konzept stießen schnell auf Zustimmung. Wir haben Kernkompetenzen zur Sicherstellung der Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeitern entwickelt und sind mit dem Programm „In eigener Sache“ und zahlreichen Tools zur Jobfitness in die breite Öffentlichkeit getreten. Die positive Resonanz hatte uns damals überwältigt. Wir haben die Arbeit empirisch flankiert und stehen auch heute immer noch ganz eng im Austausch mit Unternehmen, die das Konzept umgesetzt haben.
Wo liegen die Ursprünge des Begriffs Employability?
Sie liegen zum einen in der amerikanischen Forschung, zum anderen gab es Anfang 2000 eine Richtlinie der EU zum Thema Employability. Die EU beschäftigte sich aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive damit, um Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der amerikanische Ansatz beruht auf einer individuellen, stärkenorientierten Perspektive. Das war und ist auch unsere Perspektive.
Wie sieht Ihr Forschungsansatz aus?
Unser Anspruch ist, Innovationen in HR zu fördern und Themen zu identifizieren, die wissenschaftlich noch nicht ausreichend erschlossen sind. In einem ersten Schritt arbeiten wir explorativ. Das heißt, nach Sichtung von Quellen und dem Aufbau eines ersten Bezugsrahmens gehen wir explorativ ins Feld und führen Tiefeninterviews, betreiben also qualitative Sozialforschung. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Hypothesen werden dann in einem zweiten Schritt empirisch über großflächige Befragungen abgeprüft. Mit diesem Vorgehen können wir dann Handlungsempfehlungen für die Praxis ableiten.
Wie finanziert sich Ihr Institut?
Als Institut der Hochschule haben wir eine Grundfinanzierung für Sachkosten, aber den Großteil der Mittel – insbesondere die Personalkosten – müssen wir einwerben. Das heißt, wir versuchen, an Forschungstöpfe von Bundes- und Landesministerien oder Stiftungen zu kommen, teilweise auch an EU-Forschungsgelder. Zudem arbeiten wir für Unternehmen.
Offensichtlich funktioniert Ihr Forschungs- und Geschäftsmodell sehr gut, wie die zahlreichen Studienprojekte, Veröffentlichungen und Veranstaltungen der vergangenen Jahre zeigen.
Ja, wir sind sehr gewachsen. Das Institut beschäftigt mittlerweile 16 Mitarbeiter, zehn wissenschaftliche Projektleiter sowie sechs studentische Mitarbeiter.
Neben dem Employability-Management steht der Name Jutta Rump vor allem für das Konzept der lebensphasenorientierten Personalpolitik. Kamen Sie damit schneller in die Unternehmenswelt?
Ja, ich glaube schon. Es liegt am Zeitpunkt und an der Begrifflichkeit. Anfang der 2000er-Jahre war Employability ein schwieriger Begriff, ein echter Zungenbrecher. Ich spreche mittlerweile auch lieber von Jobfitness oder Beschäftigungsfähigkeit. Das Schöne ist dabei, dass die lebensphasenorientierte Personalpolitik eigentlich ein verkapptes Employability-Management ist.
Wie das?
Die Zielsetzung der lebensphasenorientierten Personalpolitik lautet salopp formuliert: in Bewegung bleiben, ohne die Balance zu verlieren. Das ist eine Kernkompetenz der Beschäftigungsfähigkeit. Bei der Lebensphasenorientierung geht es darum, die Mitarbeiter in ihren unterschiedlichen Lebensphasen in Balance zu halten. Der Blickwinkel hat sich also verändert. Die Arbeitsfelder sind die gleichen geblieben: Unternehmenskultur, Organisation, Führung, Karrieremodelle und Personalentwicklung. Das ist auch die Botschaft an die Praxis: Ihr müsst das Rad nicht neu erfinden, aber hin und wieder eine andere Brille aufsetzen.
Weitere Informationen zu Jutta Rump erhalten Sie hier: http://www.esa100.de/redner/jr.html