Frauen werden benachteiligt, meint Arbeitsmarktexpertin Jutta Rump.
Der Grund: Stereotype. Im Interview erzählt sie, wie man sich davor schützen kann – und dass sie sich bereits selbst beim Klischee-Denken erwischt hat.
Der internationale Frauentag soll das Bewusstsein für die Gleichberechtigung stärken. Doch wie weit ist sie mittlerweile in deutschen Unternehmen fortgeschritten? Jutta Rump, Arbeitsmarktexpertin und INQA-Themenbotschafterin Chancengleichheit und Diversity, erzählt im Gespräch, dass viele deutsche Unternehmen, aber auch die Politik beim Thema Gender Balance noch nachsitzen müssen – und welchen europäischen Staat sich Deutschland zum Vorbild nehmen kann.
Frau Rump, am heutigen Mittwoch ist der internationale Frauentag. Wie gut sind deutsche Unternehmen beim Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau aufgestellt?
Es herrscht heute zwar schon mehr Gleichberechtigung als vor fünf oder zehn Jahren. Gleichwohl muss man sagen, wenn man sich den Anteil von Frauen in Führungspositionen anschaut, besteht an der einen oder anderen Stelle noch Handlungsbedarf.
Aber Gleichberechtigung zeichnet doch viel mehr als nur den Anteil von Frauen in Führungspositionen aus.
Natürlich hat Gender Balance unterschiedlich viele Facetten. Gleichberechtigung bezieht sich neben den Karrieremöglichkeiten auch auf die Vergütung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es muss aber vor allem noch viel im Bereich der Stereotype getan werden
Zehn Punkte-Plan für mehr Frauen im Management
Ziel: Mehr Frauen in die Geschäftsführung
Wer in der ersten Liga mitspielen will, muss auch bei der Frauenquote vorangehen.
2. Mindestens drei Frauen auf Ebene direkt unter der Geschäftsführung
Frauen an der Spitze sollten sichtbar sein. Eine Frau allein wird oft als Quotenfrau und nicht als Expertin wahrgenommen.
3. Mindestens Zweidrittel der Frauen für obere Führungspositionen intern rekrutieren
Das Signal: Frauen aus der Belegschaft können etwas werden. Mögliche Absicherung: Sie werden gezielt durch Mentoren gefördert.
4. Bewusstes Bekenntnis und sichtbare Wahrnehmung
Eine klare, ambitionierte Positionierung in der Frauenfrage setzt Signale nach innen und außen und zieht potenzielle Bewerberinnen an.
5. Jeder Manager hat mindestens eine Vorgabe zur Frauenförderung als Zielvereinbarung
Nur wenn das Thema Frauen direkt auf Beurteilung und Vergütung durchschlägt, wird es ernsthaft angegangen. Nur dann öffnen Männer ihre Netzwerke.
6. Vier der zehn wichtigsten Projekte (mit-)verantworten Frauen
Das macht Frauen als Expertinnen visibel und verschafft ihnen Netzwerke.
7. Jede Konferenz mit weiblichen Fachredner auf dem Podium
Frauen erhalten als Expertinnen Gehör und Respekt.
8. Organisation von Meetings mit Rücksicht auf Familie
Familiäre Verpflichtungen grenzen sonst von Informationen und Entscheidungen aus.
9. Jede Stellenausschreibung gendersensibel formulieren
Männlich konnotierte Begriffe wie „durchsetzungsstark“ schrecken viele Frauen von der Bewerbung ab.
10. Auf den Vorschlagslisten der Headhunter stehen 30 Prozent Frauen
„Wer sucht, der findet“, gilt auch für Personalberater.
Quelle: Marie-Claire Tietze, Senior Managerin bei KMPG und Expertin für Führungskultur und Vielfalt.
Was meinen Sie damit genau?
Ob man Frau und Mann – sowohl bewusst als auch unbewusst – mit gleichem Maß bewertet. Das ist vor allem in der Personalauswahl und -entwicklung häufig nicht der Fall. Denn mit Positionen und Berufsbildern verbinden wir ganz bestimmte Attribute und Verhaltensmerkmale. Wer ist durchsetzungsstark? Wer ist wettbewerbsorientiert? Wer handelt ziel- und strategieorientiert? Wir hören diese Begriffe – und haben sofort ein Bild im Kopf. Und dieses Bild ist bei den meisten von uns mit einem Geschlecht verbunden. Und dann tappt man automatisch in die Stereotype-Fallen.
Haben Sie sich schon mal beim Klischee-Denken erwischt?
Ja, vor nicht allzu langer Zeit kam ein Mitarbeiter zu mir ins Büro und erzählte mir, dass er Vater wird. Ich habe mich total für ihn gefreut. Zwei Wochen später kam eine Mitarbeiterin zu mir und erzählte mir, sie sei schwanger. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, so schnell ist es in meinem Gehirn hoch geploppt: „Wie lange dauert es noch? Schaffst du es noch, das Projekt zu beenden und wer übernimmt die Dokumentation?“
Und im nächsten Moment habe ich mir geschockt die Frage gestellt: Was tust du da eigentlich? Doch das Leben schlug mir ein Schnippchen: Alles verlief bestens und die Mitarbeitern war nur nach wenigen Wochen in Vollzeit zurück am Arbeitsplatz.
Was könnte der Grund dafür sein, dass selbst eine langjährige Expertin wie Sie in die Stereotype-Falle tappt?
Ich bin Ende der 60er Jahre geboren worden. In meiner Sozialisation, also als ich zwischen 0 und 25 Jahre alt war, wurde ein bestimmtes Rollenmuster vorgelebt. Das hat sich in dem limbischen System meiner Generation verankert und existiert daher unbewusst.