Wie wäre es, wenn wir alle im Geiste mal wieder in unserem eigenen Hotel einchecken? Haben unsere Mitarbeiter die Befugnisse, die sie brauchen?
Auch als Hotelier bin ich in erster Linie Kunde, wenn ich in anderen Hotels zu Gast bin. Und das bin ich sehr oft. Manchmal erlebe ich dann, wie es ist, wenn Hotelangestellte nicht mit den notwendigen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind. Und weil ich als Führungskraft diesen Fehler früher selbst gemacht habe, weiß ich aus leidvoller Erfahrung: Nicht nur der Gast leidet, wenn die Entscheidungsmacht falsch verteilt ist. Sondern auch die Mitarbeiter.
LÖSUNGEN, DIE GÄSTE BEGEISTERN
Wenn ich zum Beispiel als Gast das Ladegerät für mein Smartphone vergessen habe und mich hilfesuchend an die Rezeption wende, was will ich dann? Ich wünsche mir, dass sich auf wundersame Weise ein passendes Ladegerät in meiner Hand materialisiert. Ob das für die gängigen Modelle einfach parat liegt (immerhin vergessen sehr viele Gäste ihre Ladegeräte), ob es schnell von einem Springer besorgt wird oder ob die Rezeptionistin mir ein Ladegerät bäckt, ist mir völlig gleich. Hauptsache, ich kann mein Smartphone laden.
Was ich ganz sicher nicht will, ist, dass sie erst ihren Vorgesetzten fragen muss, der seinen Vorgesetzten fragen muss. Noch weniger will ich, dass sie mich wissen lässt, dass sie mir leider nicht helfen kann – weil sie dafür nicht die nötige Befugnis und/oder die Ressourcen hat. Ich will mein Telefon laden, verdammt noch mal! Keinen Grundkurs in schlechter Führung durch Corporate Monkeys. Die Rezeptionistin kann nichts dafür!
DER MOMENT DER WAHRHEIT
Wenn der Gast eine schnelle Lösung braucht, dann steht alles auf dem Spiel. Wenn er mit jemandem spricht, der nichts entscheiden kann, verpassen wir einen Moment der Wahrheit für unser Unternehmen. Eine wichtige Chance! Denn genau diese kleinen Momente entscheiden über die Kundenzufriedenheit. Wir Führungskräfte tun niemandem einen Gefallen, wenn wir die Entscheidungsmacht für uns behalten – nicht dem Kunden, nicht dem Mitarbeiter und auch nicht uns selbst. Denn wir können nicht alles selbst entscheiden. Viel besser fahren wir, wenn jeder Mitarbeiter in seinem Verantwortungsbereich selbstständig handlungsfähig ist. Auch an der Rezeption, im Service und Housekeeping – überall, wo wir mit dem Gast in Kontakt sind.
DIE MISSION
Ich bin davon überzeugt: Entscheidungen dürfen kein Führungsprivileg sein. Ein schlagkräftiges Unternehmen besteht nicht aus Entscheidern auf der einen und Mitarbeitern auf der anderen Seite. Es besteht aus lauter Entscheidern, die alle auf eine gemeinsame Mission hinarbeiten – nämlich begeisterte Gäste. Das kann ich sein, wenn ich mein Telefon laden kann. Oder Sie, wenn Sie Ihren Lieblings-Whisky bekommen. Schließlich sind wir doch alle auch Gäste, oder?
Wie wäre es also, wenn wir alle im Geiste mal wieder in unserem eigenen Hotel einchecken? Haben unsere Mitarbeiter genau die Befugnisse, die sie brauchen? Diese Frage sollten Sie mit Ja beantworten!”
Weitere Informationen zum Thema Gast und zu Carsten K. Rath finden Sie hier:
Dieser Text ist erschienen am 04. November in der Allgemeinen Hotel – und Gastronomie Zeitung.