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4. Oktober 2016

Fortschrittszwang und steigende Komplexität – Führungskräfte an der Belastungsgrenze

Führungskräfte sehen sich zunehmend sehr großen Belastungen ausgesetzt.

Zwei Aspekte, die sich in meinen Führungskräftetrainings immer wieder zeigen, möchte ich hier kurz beleuchten: 1. Die Belastung durch den Zwang zur ständigen Weiterentwicklung und 2. Die Belastung aufgrund der steigenden Komplexität der Welt.

Belastung durch Fortschritt

Wir leben in einer Welt des Fortschritts. Damit hat in unser Leben eine Art Verbesserungspflicht Einzug gehalten, die alle Dinge und auch jeden Menschen unmittelbar betrifft. Niemand ist mehr gut genug, so wie er heute ist. Mögen auch noch so viele Weisheitslehrer uns von der Vollendung des Seins erzählen, was wirklich zählt in unserer Welt, ist ein reflektiertes Werden, ein ständiges Lernen und Verbessern unserer Selbst. In vielen Menschen lodert ein Feuer der Unzufriedenheit mit dem jetzigen Zustand. Wir werden von einer besseren Zukunft her belastet und wir unterliegen einem Zug nach Oben, wie das Peter Sloterdijk so schön beschreibt.

Dauergast in der Business Class

Besonders Menschen, die Führungsverantwortung übernommen haben oder Menschen, die in agilen, selbstverantwortlichen Teams arbeiten und täglich kreative Leistungen erbringen müssen, sind Dauergast in der Business Class der Verbesserungspflicht. Was also tun? Nehmen Sie die Welt wie sie ist und spielen Sie ganzheitlich auf dieser Klaviatur. Folgen Sie Nietzsches Rat und bejahen Sie das Notwendige, weil es ohnehin nicht vermeidbar ist. Am besten sind Sie als Führungskraft für die neue Zeit aufgestellt, wenn Sie Ihren Führungsalltag zur Übung machen.

Komplexifizierung der Welt

Was die Welt für uns noch im Köcher hat, ist ein Prozess der „Komplexifizierung“. Mangels kreativerer Ideen wurde dieses Phänomen mit „VUCA“, ein Akronym für komplexer werdende Umweltbedingungen, bezeichnet. Was VUCA heißt? VUCA beschreibt unsere Umwelt, also die Bedingungen, unter denen wir arbeiten. Sie ist gekennzeichnet von „Volatility“, von „Uncertainty“, von „Complexity“ und von „Ambiguity“. Volatilität meint eine Umwelt, in der Veränderungen sehr häufig und tiefgehend sind. Es ist eine instabile Welt geworden, in der wir uns an die langen stabilen Phasen der Vergangenheit nur mehr vage erinnern können. Uncertainty beschreibt die Unsicherheit, mit der wir heute leben müssen. Auch die nähere Zukunft ist kaum mehr vorhersehbar. Immer wieder hat die Welt einen „Schwarzen Schwan“ für uns bereit, ein Ereignis, das niemand vorhergesehen hat, also eine echte Überraschung.

Nicht in Deckung gehen

Jetzt können wir natürlich auch dauerhaft in Deckung gehen, aber besser ist es, mit einem neuen Bewusstsein und einer neuen Wachsamkeit, das Unerwartete willkommen zu heißen. Complexity bezieht sich auf die steigende Komplexität der Welt. Hier gibt es nur eine wichtige Botschaft: Wer Komplexität reduziert, ist feige und stiehlt sich aus der vollen Lebendigkeit.

Komplexität als Freund

Es braucht ganzheitliche Methoden, um die Komplexität zu meistern. Sie ist nicht unser Feind, sondern unser Potenzial, unsere Ressource, das Megaentwicklungsfeld für unsere Wirtschaftswelt. Ambiguity zeichnet uns eine Welt voller Widersprüche. Die Logik verliert ihre Gültigkeit. Es gibt kein richtig und kein falsch mehr. Die Widersprüche verhalten sich seltsam. Es kann die eine Aussage wahr sein und das genaue Gegenteil davon auch.

Wie Sie mit Komplexität umgehen können

Trial and Error ist eine beliebte Methode, die auch manchmal funktioniert. Besser aber ist die Anwendung von emotional-intuitiven Methoden, beispielsweise in der Entscheidungsfindung. Sie können natürlich bei Ihren alten Mustern bleiben und Komplexität ausblenden. Hilfreicher aber ist eine neue Agilität, ein „Segeln auf Sicht“, wie das Peter Kruse genannt hat. Vielleicht gelingt es ja Ihnen, Komplexität über Details zu verstehen. Viel Glück dabei! Sinnvoller ist es, auf die großen Muster zu achten und relevante Widersprüche aufzudecken. Für den Umgang mit echten Widersprüchen gibt es bewährte Methoden wie die iterative Lösungsfindung und den aporetischen Dialog. Und damit wir es nicht vergessen:  die beliebteste aller Methoden, der Komplexität der Welt zu begegnen ist das „Simplify“. Gescheiter aber ist es, die Komplexität als Potenzial zu erkennen, die Intelligenz der Vielen zu nutzen und sich mutig auf intuitive Strategien einzulassen.

Ihr Heinz Peter Wallner

Artikel von Dr. Heinz Peter Wallner. Er ist Referent im Deutschen Rednerlexikon. Sein Profil finden Sie hier!

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