„Kunden schätzen den Wert unserer Beratung nicht.“
Diesen Satz höre ich oft und dennoch ist er falsch. Ich werde Ihnen zeigen, dass die meisten Kunden sogar nicht nur Beratung schätzen, sondern diesen Wert auch in einem Geldbetrag benennen können und ferner, wie diese Erkenntnis Mitarbeiter im Vertrieb zu neuen Höchstleistungen anspornen kann. Hierzu haben wir eine sehr spannende Studie durchgeführt, dazu gleich mehr.
Das grundsätzliche Problem kennt jeder Vertriebsmitarbeiter. Potenzielle Kunden lassen sich eingehend beraten, nur um dann im Internet billiger kaufen. Das erleben Vertriebsmitarbeiter im B2B-Bereich („Ich habe denen im Prinzip die ganze Produktionsanlage durchkonzipiert und dann haben sie uns als Dank auf die Preise des Wettbewerbers gedrückt.“) ebenso wie im klassischen B2C-Umfeld, wie zum Beispiel bei Banken & Versicherungen, Reisebüros, Fertighausherstellern und Elektronikhäusern, um nur einige zu nennen.
Ja, es gibt Kunden die Beratung nicht schätzen. Genauso gibt es aber auch Kunden, die unrechtmäßig umtauschen oder ihre Rechnung nicht bezahlen. Aber machen sie die Mehrheit aus? Eher nicht. Tatsächlich schätzen Kunden den Wert von Beratung sehr wohl und sind auch dafür bereit zu zahlen. Dass wir im Vertrieb aber einen anderen Eindruck haben, liegt an zwei grundsätzlichen Fehlern:
Erstens unterliegen wir einer Wahrnehmungsverzerrung. Kunden, die Beratung nicht schätzen, fallen uns besonders auf, weil ihr Verhalten uns ärgert. Es liegt in unserer menschlichen Natur, dass uns unter fünfzig positiven Erlebnissen, das eine negative am deutlichsten in Erinnerung bleibt, und unser Verhalten dadurch auch am nachhaltigsten beeinflusst wird. Damit schießen wir uns aber ein Eigentor. Und wenn sich das Denken und Handeln nur auf die unseriösen Billigheimer konzentriert, dann nehmen wir deren Weltbild an. Gleichzeitig ignorieren wir dadurch die wahren Wünsche der Mehrheit der Kunden, eben jenen, die Mehrwert zu schätzen wissen.
Der zweite Grund, dass wir glauben, dass Kunden Beratung nicht wertschätzen, liegt an etwas plumpen Versuchen in einfachen Studien den Wert eines Beratungsgesprächs zu messen. Manche Verbände befragen Kunden, ob sie bereit wären für Beratung zu bezahlen mit dem zu erwarteten Ergebnis einer nur verschwindend geringen Zustimmung. Es wird schlichtweg die menschliche Natur ignoriert. Wenn ich jemanden frage, ob er für etwas bereit wäre zu bezahlen, was derzeit ja das Preisschild „0 Euro“ trägt, wird er selbstverständlich mit Nein antworten. Warum sollte er auch plötzlich für etwas bezahlen, das es kostenlos gibt?
Das ginge Ihnen doch auch nicht anders. Dann daraus zu schließen, dass Kunden den Wert von Beratung nicht zu schätzen wissen ist ein klarer Trugschluss.
Im Auftrag eines Elektronikkaufhauses, sollten wir nun untersuchen, wieso Menschen sich dort beraten ließen und dann dennoch im Internet billiger kauften. Wieso, also Kunden die Beratung nicht wertschätzten. Wir drehten die Fragestellung ein wenig, denn dass die Kunden der Beratung keinen Wert beimaßen, war noch gar nicht erwiesen. Viel mehr stellte sich die Frage, wieviel Euro eine Beratung ihnen Wert ist, also wieviel günstiger ein Internetangebot sein musste, dass sie trotz Beratung im Kaufhaus, woanders bestellten, also dem Kaufhaus eine Leistung abluchsten.
Wir führten den Versuch in verschiedenen Produktkategorien aus, überall mit einem sehr ähnlichen Ergebnis. Nehmen wir hier aber das Beispiel von Waschmaschinen. Wir beobachteten, wie Kunden sich im Laden beraten ließen. Nachdem sie das Produkt dann kauften, gaben wir uns einige hundert Meter nach dem Ausgang als Promoter einer Werbeaktion einer Preisvergleichsseite im Internet aus. Wir boten ihnen an, dass sie die gleiche Waschmaschine im Internet günstiger bekommen könnten, wenn sie den Kauf sofort rückgängig machen würden. Dieses Angebot führten wir in unterschiedlichen Varianten bezogen auf den Basispreis durch. Wir machten Angebote zwischen 5 Prozent und 70 Prozent. Natürlich hatte irgendwann nahezu jeder seine Grenze, wo er oder sie schwach wurde. Spannend war aber zu sehen, wo diese Grenze lag. Im Durchschnitt war diese bei 22,4 Prozent! Wir fragten in einem Nachinterview, wieso die Personen gezögert hatten. Hauptgründe waren Bequemlichkeit, weil der Umtausch an der Kasse Mühe mache (rund 18 Prozent), Unsicherheit, weil man den anderen Händler des sonst identischen Produkts nicht kannte (rund 31 Prozent) und mehr als die Hälfte (rund 51 Prozent) fanden, dass es die Beratung es wert gewesen sei! Den Wert der Beratung ließ sich nun recht leicht berechnen. Wir kannten ja den prozentualen Preisnachlass, der notwendig war, um Kunden trotz Beratung abspenstig zu machen, nämlich 22,4 Prozent. Bei Waschmaschinen kamen wir so auf einen Wert von rund 108 Euro, den eine Beratung den Kunden wert war.
Kunden schätzen also sehr wohl die Beratung. Was aber mit der Information machen? Einerseits konnten wir der Marketingabteilung wundervoll zeigen, dass das Unternehmen gar nicht billiger ein musste als das Angebot des Wettbewerbs im Internet, sondern vielmehr die Wünsche der Kunde, für die sie unbewusst bereit sind zu bezahlen noch besser erfüllen sollte, nämlich Bequemlichkeit, Vertrauen und Beratung.
Aber das unbewusste Preisschild für die Beratung nutzten wir auch für die Verkäuferschulungen. Man kann natürlich lange über Sinn der Beratung, Markenimage und Kundenbindung reden, aber nichts überzeugte die Verkäufer mehr und machte sie stolzer, als die Aussage: „Ihre Beratung ist 80 Euro wert! Jedes mal, wenn Sie einen Kunden beraten, hat dies einen Wert von 80 Euro!“
Allein diese Aussage veränderte das Verhalten der Kundenberater enorm. Sie waren stolz auf ihre Arbeit und gingen selbstbewusster auf ihre Kunden zu und steigerten aus eigener Motivation die Beratungsqualität nochmal erheblich. Denn nur wenn man den Wert seiner eigenen Leistung schätzt, fühlt auch der Kunde diesen Wert. Und der Satz: „Meine Beratung ist 80 Euro wert!“ ist seitdem der gängige Teamslogan, mit dem die Mitarbeiter ihr morgendliches Meeting vor Öffnung der Ladentüren beenden und in einen erfolgreichen Tag starten.
Kishor Sridhar ist einer der Top100 Trainer in unserem Katalog. Sein Profil finden Sie hier!