Die Digitalisierung wird viele Arbeitsplätze überflüssig machen. Welche Berufe sind am stärksten vom Wandel betroffen? Wie wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen? Drei Prognosen:
SZ: Herr Händeler, in Zukunft sollen Maschinen untereinander und mit dem Internet vernetzt sein und intelligente Roboter einen Großteil der menschlichen Arbeit übernehmen. Ist diese Entwicklung unausweichlich? Oder ist Industrie 4.0 nur ein Hype?
Erik Händeler: Industrie 4.0 wird kommen,wird jedoch meines Erachtens überschätzt. Schon in den vergangenen Jahrzehnten haben Computer den Menschen viel Arbeit abgenommen, Kosten gesenkt und den Wohlstand gesteigert. Stärker als von technischen Neuerungen hängt die Wertschöpfung künftig davon ab, wie effizient Menschen mit ihrem Wissen umgehen.
Welche Berufe könnten überflüssigwerden?
Erik Händeler: Es sind schon viele Stellen von Niedrig qualifizierten in der Industrie weggefallen,das geht noch ein bisschen weiter. Gleichzeitig brauchen wir aber auch Leute, die einfache Arbeiten verrichten. Auch in der Wissensarbeit gibt es einfachere Tätigkeiten.
Müssen wir mit Massenarbeitslosigkeit rechnen?
Erik Händeler: Nein. Arbeit ist, Probleme zu lösen. Und weil wir immer Probleme haben werden, wird uns auch die bezahlte Arbeit nie ausgehen. Die frei werdenden Ressourcen werden wir für Neues nutzen. Die Arbeit fällt nicht weg, sondern wandelt sich: Wir schrauben weniger direkt in der materiellen Welt, sondern die Wirtschaft wächst in die gedachte Welt hinein.
Wo werden neue Jobs entstehen?
Erik Händeler: Tätigkeiten wie entwickeln, planen, analysieren, den Markt beobachten und entscheiden kann uns keine Maschine abnehmen. Und je komplexer die Zusammenhänge werden, desto stärker sind Spezialisten gefragt, die gleichzeitig aber auch die nötige Allgemeinbildung haben, um ihr Nischenwissen da und dort einzubringen. Der wirtschaftliche Erfolg wird in Zukunft davon abhängen, dass man die richtigen Experten für eine Aufgabe zusammen bringt – und dass diese Experten im Team möglichst reibungslos zusammenarbeiten.
Finden künftig nur noch Hochqualifizierte Arbeit?
Erik Händeler: Nein, es wird aber in Zukunft noch mehr darauf ankommen, sich in seinem ganz bestimmten Feld sehr gut auszukennen. Den stärksten Qualifikationsbedarf sehe ich bei der alltäglichen Arbeitskultur. Denn Umgang mit Wissen ist immer Umgang mit anderen Menschen. Das bedeutet: Konflikte im Unternehmen transparent auszutragen, sodass das bessere Argument gewinnt, keine Energien in sinnlosen Bürokriegen zu vergeuden, aus der Sache keine Beziehungsebene machen – damit wären die größten Wohlstandsreserven zu heben.
Wie wird sich die alltägliche Arbeit der Menschen verändern?
Erik Händeler: Die Arbeit wird künftig in Netzwerken organisiert werden, die nach tagesaktueller Kompetenz zusammengestellt werden. Jeder Mitarbeiter ist mal mehr und mal weniger wichtig, die Hierarchien werden noch flacher. Zugleich werden Chefs wichtiger denn je: Statt bloß Anweisungen zu geben, müssen sie moderieren und die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter analysieren, um sie am richtigen Ort einzusetzen.
Wie lange wird der Wandel dauern?
Erik Händeler: So lange, wie die Menschen brauchen, ihre Arbeitskultur zu ändern – entweder aus Druck oder aus Einsicht. Letzteres wäre weniger leidvoll.
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Erik Händeler, 46, ist Volkswirt und Publizist. Als Zukunftsforscher befasst er sich mit der Wissensgesellschaft und der Entwicklung einer neuen Arbeitskultur.
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