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17. November 2015

Mario Buchinger : Betrugsaffäre bei VW – Konsequenzen einer fehlerhaften Zielableitung

Mario Buchinger: Betrugsaffäre bei VW – Konsequenzen einer fehlerhaften Zielableitung

In diesen Tagen wurde diese Frage oft diskutiert: Ist es möglich, dass ein Vorstand eines großen Konzerns, wie Volkswagen, über die Tricksereien wusste? Auch wenn es bei dem bekannten Ausmaß unwahrscheinlich erscheint, so muss man dennoch die Frage stellen, ob die obersten Führungsebenen alles wissen müssen oder wissen können. Die Antwort ist ganz klar: Nein, sie können nicht. Aber dennoch müssten sie Verantwortung tragen für das, was im ihrem Unternehmen von statten geht. Dies passiert aber leider nur selten beziehungsweise unzureichend.

Auch wenn nicht jedes Handeln der Führungsebenen unterhalb der Vorstandsetage für die Unternehmenslenker unmittelbar beeinflussbar ist, so haben sie dennoch einen mittelbaren Einfluss. Es handelt sich um die Zielerwartung und die daraus resultierende Zielableitung auf Unternehmensebene, die dann weiter auf die einzelnen Bereiche herunter gebrochen wird. Die mittleren Führungskräfte tun meist die Dinge, die das Erreichen der Zielvereinbarungen ermöglicht. Daher muss sich das Top-Management stets überlegen, wie es seine Ziele formuliert und worauf es das Unternehmen ausrichtet.

Im Fall von VW war es das Streben nach der absoluten Nummer 1 am Automobilmarkt. Dies kann, wie hier geschehen, dazu führen, dass man auch mit unlauteren Mitteln versucht, Marktanteile zu erobern. Diese Mittel gingen offensichtlich nicht nur am Kunden und seinen Bedürfnissen vorbei, sondern die Kundschaft wurde bewusst getäuscht und somit ist der Imageschaden dementsprechend riesig. Und hier stellt sich einmal mehr die Frage nach der Sinnhaftigkeit des vom Vorstand erwarteten Ziels. Was ist der Mehrwert für die Kunden, wenn man die Nummer 1 in der Branche wird? Genau genommen, gar keiner. Dieses Ziel befriedigt lediglich das Ego einzelner Führungspersonen im Konzern und lässt sich bei den Aktionärsversammlungen gut verkaufen.

Beim Thema Zielableitung werden in vielen Unternehmen Vision und Strategie mit Wunschvorstellungen verwechselt. Das, was häufig als Vision verkauft wird, ist in Wahrheit eine Liste von, meist monetären, Wünschen für die Zukunft. Auch eine irgendwie geartete Marktführerschaft wird oft angestrebt. Doch das ist alles, nur keine Vision. Eine Vision umfasst Inhalte, die den Kunden und damit der Gesellschaft einen Mehrwert geben. Die Entwicklung einer echten Vision gehört erfahrungsgemäß zu den schwierigsten Aufgaben eines Managements.

Auch der Begriff Strategie wird oft fehlerhaft verwendet. Hier werden in vielen Fällen Kennzahlenziele festgelegt, die innerhalb eines mehr oder weniger überschaubaren Zeitraums erreicht werden sollen. Was jedoch oft fehlt, ist ein klares und für alle Beteiligten nachvollziehbares Verständnis über den zu erreichenden Zielzustand eines Unternehmens, mit all den daraus resultierenden Konsequenzen für die einzelnen Bereiche und Abteilungen, sowie den einzelnen zur Umsetzung notwendigen Schritten. Dieser Zielzustand muss primär mit den Augen des Kunden definiert werden und hat mit einem Korb voll Kennzahlen nichts zu tun. Kennzahlen können nur eine Messgröße sein, mit denen man die Wirksamkeit von Maßnahmen überprüfen kann, jedoch niemals das eigentliche Ziel, da Kennzahlen nicht die Realität sind, sondern nur eine Abstraktion der selbigen.

Nur wenige Unternehmen verstehen es, systematisch ihren Zielzustand zu entwickeln, darzustellen und umzusetzen. Ein Weg ist ein Vorgehen, das im Japanischen unter dem Namen „Hoshin Kanri“ bekannt ist. Dabei wird ein System mit den Augen der Kunden von oben nach unten kaskadiert und unter Einbeziehung aller Mitarbeiter und Führungskräfte entwickelt. Dabei muss zwangsweise das klassische Denken in Abteilungsstrukturen (= Silodenken) aufgebrochen werden, um das Unternehmen ganzheitlich und damit nachhaltig zu entwickeln. Hätte Volkswagen ein solches Verständnis, wäre vermutlich nie das Ziel, der größte Automobilhersteller werden zu wollen, entstanden, denn dieses Ziel ist für die Kunden irrelevant. Der Konkurrent Toyota hatte nie eine solche Ausrichtung. Sie sind es aufgrund ihres Handelns geworden und obwohl sie sich selbst ihr Wachstum immer gedeckelt haben.

Zusammenfassung: Handlungen an der Basis und im mittleren Management haben häufig Entscheidungen in der Führung als Ursache, auch wenn die Zusammenhänge oft nicht unmittelbar erkennbar sind.

Ein interessantes Video zum VW-Skandal finden Sie auf dem Buchinger | Kuduz YouTube-Kanal (https://www.youtube.com/watch?v=tSwAV_L45s0)

Zum Profil von Dr. Mario Buchinger geht es hier: http://www.trainers-excellence.de/redner/mario-buchinger.html

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