Weihnachtsstress und Neujahrsvorsätze
Alle Jahre wieder: Weihnachten ist eigentlich ein besinnliches Fest, doch pünktlich zur Weihnachtszeit droht bei den meisten von uns akute Stress-Gefahr. Überfüllte Kaufhäuser, nervige Verwandte, Ärger mit dem Partner und nebenbei auch noch der Arbeitsalltag. Wir haben mit Ralph Goldschmidt, erfolgreicher Redner und Buchautor, zum Thema „Weihnachtsstress und Neujahrsvorsätze“ gesprochen:
Herr Goldschmidt, man hat das Gefühl, im Advent sind die Menschen jedes Jahr noch gestresster als im Jahr davor. Wieso hat sich der Weihnachtsstress in der eigentlich besinnlichsten Zeit des Jahres in den letzten Jahren so verstärkt?
Mein Eindruck ist, dass das nicht nur im Advent so ist sondern dass für viele der Stress über das ganze Jahr permanent zunimmt. Speziell im Advent kommt hinzu, dass man manches von dem, was man sich beruflich oder privat vorgenommen hat, auf den letzten Metern doch noch irgendwie hinkriegen möchte. Früher ließ man das Jahr ab Anfang oder spätestens Mitte Dezember langsam ausklingen, heute läuftin vielen Jobs die Jahresend-Rallye bis Heiligabend. Im Weihnachtsgeschäft wird der meiste Umsatz gemacht. Von Besinnlichkeit keine Spur. Und dann steht ja auch noch Weihnachten vor der Tür: Mit wem feiern? Wo feiern? Wie feiern? Was schenken?
Was kann man tun, um den Weihnachtsstress so gering wie möglich zu halten?
Aus meiner Sicht hilft: Früh genug mit allen Beteiligten klären, wie Weihnachten gefeiert wird. Und früh genug die Geschenke besorgen. Kleiner Tipp: Ich habe im vergangenen Jahr „Zeit statt Zeug“ geschenkt. Nicht ein einziges „Ding“, stattdessen: Papa-Sohn-Fußballwochenende mit meinem kleinen Sohn, Tandem-Fallschirmsprung mit meinem großen Sohn usw., also nur Erlebnisse. Nichts zum Horten, sammeln und irgendwann doch wieder entsorgen müssen … einfach nur „was zum Mitnehmen“. Das kam wunderbar an! Darüber hinaus war es ein entspanntes Schenken über das ganze Jahr. Es schaffte eine Verbindung zu den Beschenkten, die über einen einzelnen, hektischen Moment an Heiligabend weit hinausging. Die Weihnachtszeit gilt als besinnlichste Zeit des Jahres. Doch gerade im Advent gibt es besonders viele Streitereien und Krisen in der Familie oder Partnerschaft. Wo sehen Sie die Gründe dafür? Zu viele Menschen, die sich zum Teil das ganze Jahr über wenig sehen – oft aus sehr gutem Grund – wollen, sollen, „müssen“ an Weihnachten ein möglichst harmonisches Fest miteinander feiern. Sie haben zudem häufig sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie man diese Zusammenkunft denn nun am besten gestaltet. Als Besonderheit an den Feiertagen kommt dann noch der Anspruch hinzu, dass alles toll sein muss und es jeder allen recht machen soll. Da aber meist schon die Vorstellungen darüber variieren, was „toll“ sein würde, kann das nicht reibungslos funktionieren. Die Kompromisse, die der einzelne hierbei eingeht, sind nicht immer wirklich echte Kompromisse. Vielmehr liegt hinter einem JA hierzu zuweilen doch ein NEIN zu der Vereinbarung. Und immer dann, wenn Sie JA sagen, obwohl Sie eigentlich NEIN meinen, schaffen Sie eine Stressquelle und öffnen damit Streit und Krisen Tür und Tor.
Weihnachten gilt auch als Fest der Familie. Doch viele Menschen (Singles, ältere Menschen, …) fühlen sich gerade zu Weihnachten besonders einsam. Wie kann man diesem Gefühl am besten begegnen und aus dem Fest das Beste für sich machen?
Weihnachten ist das Fest der Familie, auch wenn es kein anderes Fest gibt, an dem annähernd so viel gestritten wird wie an Weihnachten. Ich kenne Menschen, die diesem Streit liebend gerne aus dem Weg gehen würden und sich freuen würden, wenn sie Weihnachten alleine feiern könnten. Für die meisten jedoch gilt das nicht. Meine Empfehlung: Überlegen Sie, wem es ähnlich geht, und feiern Sie dann zusammen. Das Feiern mit Freunden und Bekannten funktioniert. Ich habe sogar den Eindruck, dieser Trend erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Es fällt sicher nicht jedem leicht, seine Freunde zu bitten, gerade an Weihnachten mit ihnen feiern zu wollen. Aber wenn man sich vor Augen führt, dass es nicht wenigen irgendwie doch ähnlich geht, dann ist es eine Frage wert.
Was halten Sie von Neujahrsvorsätzen?
Ich halte es grundsätzlich für sinnvoll, sich etwas vorzunehmen, was einem gut tut. Denn: Nur wenn es dir gut geht, kannst du der Welt dein Bestes geben. Die meisten nehmen sich fürs neue Jahr vor, weniger Stress zu haben, mehr Zeit für sich, mit der Familie und Freunden zu verbringen, mehr Sport zu treiben und sich gesünder zu ernähren. Und immer mehr Leute wollen öfter mal offline sein. Für alle diese guten Vorsätze muss man aber nicht auf Silvester warten. Das geht immer.
Wieso nehmen wir uns gerade zum Jahreswechsel immer wieder hochgesteckte Ziele ins Visier? Und wieso sind diese so häufig zum Scheitern verurteilt?
Der Jahreswechsel ist ein Bilanzdatum. Wir schauen auf das vergangene Jahr zurück, blicken nach vorne aufs kommende Jahr. Fast automatisch kommen einem die Gedanken, an der einen oder anderen Gewohnheit etwas ändern zu wollen. Etwa jeder zweite Deutsche nimmt sich an Silvester etwas vor, und von denen schaffen es deutlich weniger als die Hälfte, ihre Vorhaben länger als drei Monate durchzuhalten. Der Hauptgrund, warum das mit der Umsetzung so häufig nicht gelingt, liegt darin, dass wir die Absichten meistens vom Verstand her formulieren. Sie sind vernünftiger und moralischer Natur. Wir werden aber viel mehr von unserem Unbewussten als vom Verstand gesteuert. Und das Unbewusste entscheidet nach rein hedonistischen Prinzipien, es fragt sich: Macht mir das Spaß oder nicht. Die wenigsten vernünftigen Absichten machen Spaß! Wie kann man sich motivieren, seine Vorsätze auch wirklich umzusetzen? Immer wieder hört und liest man, dass wir unseren inneren Schweinehund überwinden müssen, mit Willenskraft, Selbstkontrolle und einer guten Portion Selbstdisziplin. Dummerweise klappt das gerade bei langfristigen Vorhaben nicht, unter anderem weil der Weg über die Selbstkontrolle sehr anstrengend ist. Wir sind schnell platt. Und dann geben wir unser Vorhaben auf.
Haben Sie einen abschließenden Tipp für unsere Leser um besonders das bevorstehende Weihnachtsfest und den Jahreswechsel gut zu überstehen?
Einen ganz einfachen: Schrauben Sie die Erwartungen an IHR Fest nicht zu hoch. Und versuchen Sie nicht, es jedem Recht zu machen.
Herr Goldschmidt, vielen Dank für das interessante Gespräch!