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16. September 2015

Was Manager von Hoteliers lernen können

Anders als Hoteliers sind Manager nicht so nah an ihren Kunden – ein Nachteil. Von Carsten Rath 

Für jeden erfolgreichen Hotelier steht der Gast im Zentrum seines Handelns. Somit dreht sich auch der Großteil seiner Arbeitszeit um die direkte Interaktion mit dem „Endverbraucher“. Dies ist der größte Unterschied zu den meisten Top-Managern und genau hier kann die allgemeine Wirtschaft noch von der Hotellerie lernen.Die meisten Manager managen Unternehmen, in denen feste Arbeits- und Öffnungszeiten herrschen. Es gibt jedoch auch einige Ausnahmen wie etwa bei der Luftfahrt, in Krankenhäusern, im öffentlichen Verkehr und bei vielen Dienstleistern. Ein Hotel hat keine Schließungszeiten. Und ein Hotelier hat andere Arbeitszeiten und -verteilungen. Wir konzentrieren uns fast ausschließlich auf unsere Gäste. Diese sind im oberen Hotelsegment stets sehr reiseerfahren und bestens über ihre Reisen informiert. Sie kennen auch die mitbewerbenden Produkte oft besser als unsere Mitarbeiter.

Unsere Kunden kennen die Herzlichkeit der Balinesen ebenso wie die State of the Art Service Center mit den schnellsten Internetzugängen in New York, die Businesssuiten in Frankfurt genauso wie die Übersetzungsdienste in koreanischen Taxis. Sie kennen die Seifen-Concierges von Ritz Carlton, die abends aus ihrem Bauchladen den Gästen zum Turn-Down-Service eine große Auswahl der feinsten Waschutensilien reichen. Bei Hochzeiten auf den Malediven haben sie Romantik pur erlebt und in Familienhotels oder Resorts wie den Robinson-Clubs Sport, Wellness und Action auf Weltklasse-Niveau genossen. Sie haben Kobe-Steaks in Japan gegessen und kennen sich mit organischem Gemüse aus dem Hochland von Bhutan aus.

NACH DEM BESUCH IST VOR DEM BESUCH

Diese Menschen, die kaum noch mit etwas Neuem überrascht werden können, sind unsere Gäste. Ihre gesammelten Service-Erlebnisse haben sich auf ihrer Festplatte eingebrannt. Bei jedem neuen Hotel-Aufenthalt werden sie abgerufen und mit der aktuellen Service-Erfahrung abgeglichen. Top oder Flop? Für uns bedeutet das, frei nach Sepp Herberger: Nach dem Besuch ist vor dem Besuch. Wir Gastronomen sind immer nur so gut wie das letzte Essen, das wir serviert haben.

Der Hotelier ist zunächst immer erst einmal Gastgeber, während ein Manager als Unternehmer sich oft auf die Prozesse und Produkte konzentriert, sowie auf die Beziehung zu seinen Mitarbeitern. Viele Top-Manager haben jedoch nur noch selten direkte Kundenbeziehungen. Das ist in der Hotellerie ganz anders: Hier dreht sich alles um den Gast, alles ist ausschließlich gesteuert und ausgerichtet auf seine Bedürfnisse.

Um dem Gast gerecht zu werden, ist die wichtigste Führungsaufgabe in der Hotellerie, eine Begegnungsqualität auf höchstem Niveau mit dem Kunden zu fördern und zu fordern und permanent motivierend zu adressieren. Dieser Anspruch macht die Hotellerie zum Schulungs-Weltmeister. 120 Stunden pro Jahr wird jeder Mitarbeiter geschult. Die Schulungen in einem Hotel verlaufen selbstredend ganz anders als in anderen Branchen: Trainings finden sehr regelmäßig – beinahe täglich – in kurzen, konzentrierten Einheiten statt. Sie werden in der Hotellerie im laufenden Betrieb gesteuert und vornehmlich intern und nicht extern ausgerichtet. Trotz Drei-Schicht-Betrieb an 365 Tagen im Jahr.

AUF DEN GAST FOKUSSIERT

Früher waren das klassische, eher steife Seminare wie aus dem Hollywood-Film Pretty Woman bekannt – Sie erinnern sich an die Diskussion um die Zacken der Salatgabel? Diese Zeiten sind lange vorbei. Das System, welches – nicht nur – wir einsetzen, heißt „welearning“, eine Kombination aus E-Learning und Team-Lernen. ALLE Mitarbeiter holen jede Woche vom hektischen Hotel-Alltag kurz Luft und konzentrieren sich im Team konsequent auf das, was wirklich zählt: Die Begegnungsqualität zwischen Gast und Mitarbeiter. Dieser Fokus verbessert die Gästebindung messbar. Wenn dann der Hotel Manager sein Verständnis von Gastgebertum auch noch perfekt vorlebt, die Prozesse stimmen und das Produkt außergewöhnlich ist, sind alle Voraussetzungen für einen erinnerungswürdigen Hotelaufenthalt erfüllt.

Als Hotelier verbringen wir mindestens 50 Prozent der Managementzeit direkt mit dem Gast, meistens 30 Prozent mit den Mitarbeitern, idealerweise 10 bis 15 Prozent mit der Produktentwicklung und -verbesserung und die verbleibende Zeit mit kleineren Notwendigkeiten. Aber den Großteil des Tages fokussieren wir uns auf unsere „Lifeline“, unsere Lebenslinie, den Gast.

Es kann also auch für einen Manager der freien Wirtschaft hilfreich sein, seine Zeiteinteilung neu zu überdenken und seine effektive Zeit mit seinem gewünschten „Endverbraucher“, dem Kunden, zu verbringen. So kann er besser Bedürfnisse erkennen, aktiv Kundenbindung betreiben, Mitarbeiterbegeisterung fördern und den Status quo aus erster Hand benennen.

Damit sind aber nicht werbewirksam aufbereitetet kleine PR-Events eines Fluglinien-Vorstandsvorsitzenden gemeint, der über den Wolken ein wenig den „Saftwagen schubst“, sondern regelmäßige eingeplante, bewusste Stunden mit dem Kunden – an der Basis und vor Ort. Einfacher und überzeugender geht es nicht.

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